Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
wappnete. „Wie meinst du das?“
„Nun, nachdem er entdeckt hatte, dass ich die Verfasserin der Briefe war, übertrug Boyd seine Zuneigung von Helena auf mich, wie du es ja auch prophezeit hattest. Du sagtest indes nicht, dass unser Briefflirt genau das war - eben ein Flirt, flach und substanzlos.“
Jamie schob sie von sich fort und lehnte sich gegen die Kissen. „Hat dieser Esel dich etwa fallen lassen?“
„Nein, nichts dergleichen. Dies ist etwas, das ich selbst entdeckt habe, weil du mich gelehrt hast, auf mein Herz zu hören.“ Abigail stockte; sie drückte sich nicht richtig aus. „Herrgott, fühlst du das nicht auch? Was wir eben taten, was wir zusammen sind - das ist kein Flirt, Jamie. Das ist etwas sehr Reales, realer als alles, was ich je empfunden habe.“ Mit angehaltenem Atem wartete sie auf seine Reaktion.
Jamie erhob sich eilig, zog sich gar nicht erst an, sondern warf Abigail ihre Kleidung zu. „Geh nach Hause, Abby. Die Lehrstunde ist beendet.“
„Begreifst du denn nicht, was ich dir sagen will? Ich liebe dich!“
Die Worte hingen in der Luft wie ein übler Fluch.
Dann spie Jamie tatsächlich einen Fluch aus und zog sich seine Hose beleidigend hastig an. „Du weißt ja nicht, was du da redest.“ Er streifte ihr das Gewand über den Kopf, steckte ihr die Schuhe an die Füße, zog sie hoch und wickelte sie in ihren Umhang. „Man verliebt sich nicht, weil man ... getan hat, was wir eben taten.“
„Das war es doch nicht allein!“ Ist es denn wirklich so schwer, ihm verständlich zu machen, was ich jetzt so klar sehe? fragte sie sich. „Wir hätten von Anfang an merken müssen, was geschah. Seit wir uns begegneten, haben wir uns Tag für Tag, Moment für Moment, mehr ineinander verliebt.“
„Es drehte sich nie um Liebe, sondern um den gegenseitigen Nutzen. Ich wollte einen Verbündeten in deinem Vater gewinnen, und du wolltest eine Romanze mit dem Sohn des Vizepräsidenten. Wir bekamen beide, was wir haben wollten, nicht wahr? Herrgott, wenn du jetzt den armen Trottel zurückweist, versagt mir dein Vater die Unterstützung, wendet sich wieder den Eisenbahngesellschaften zu, und ich verliere alles, weswegen ich überhaupt hergekommen bin. Schlimmer noch - die Menschen meines Distrikts sind die Verlierer. Man wird sie von ihrem Besitz vertreiben, und was dann?“
„Also liegt es nur an der Eisenbahn, dass wir nicht zueinander finden können?“
Jamie lachte leise. „Du weißt, dass mehr daran hängt, Abby.“ „Es muss aber nicht so sein. Wenn du mir nur zuhörtest..." „Du liebst mich nicht!“ fuhr er sie an. „Du besitzt ein besseres Urteilsvermögen. Einer Zuneigung, die sich so schnell an- und ausschalten lässt, darf man nicht trauen.“
„Du irrst dich. Ich liebe dich, und du liebst mich. Das weiß ich genau.“
Er gab ihr einen sanften Stoß und drängte sie zur Tür. „Nein, das weißt du nicht, und ich ebenfalls nicht. Und das ist auch verdammt gut so, denn im anderen Fall wäre dies ein sehr trauriger Moment.“
29 KAPITEL
D ie „alte“ Abigail wäre in Tränen und Hoffnungslosigkeit ausgebrochen. Sie hätte die Niederlage mit ergebenem Schulterzucken hingenommen. Sie hätte stundenlang geweint - selbstverständlich allein, damit sich ihr Vater und ihre Schwester nicht aufregten.
Doch nachdem Jamie sie aus seinem Bett vertrieben hatte, entdeckte sie, dass es Dinge gab, die sie so sehr verletzten, dass sie einfach nicht mehr zu weinen vermochte. Weinen würde den Schmerz nur leichter machen, der doch in Wirklichkeit unerträglich war. Wenn eine Frau einem Mann ihre Liebe erklärte und sich ihm mit Körper, Herz und Seele hingab, dann durfte sie auch zusammenbrechen, falls er sie zurückwies.
Abigail indes brach nicht zusammen. Dass Jamie sie praktisch hinausgeworfen hatte, machte sie umso entschlossener, zu beweisen, dass das stimmte, was ihr Herz wusste: Bei all den Hänseleien, Wortgefechten und politischen Manövern hatten sich Jamie und sie ineinander verliebt.
Bald würde er in der selbst gestellten Falle sitzen. Er hatte sie gelehrt, die Wahrheit hinter der Fassade zu suchen, und ihr gezeigt, dass Worte eine ganz eigene Macht besaßen. Er hatte ihr erklärt, dass Liebe gegen den Willen der betreffenden Person entstand, und ihr gesagt, wie man sich mit einem gebrochenen Herzen fühlte. Für diese Belehrung dankte sie ihm zwar nicht, wollte sie sich indes auch nicht zu Eigen machen.
Sie fühlte sich innerlich kalt wie Stahl, ging zu Bett und
Weitere Kostenlose Bücher