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Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators

Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators

Titel: Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators Kostenlos Bücher Online Lesen
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halten. Von ihren Plätzen oberhalb der in Hellrot und Gold dekorierten Senatskammer hatten sie respektvoll die Eröffnungszeremonie verfolgt, doch dann begannen die Ansprachen. Endlose, ermüdende Vorträge, Lobeshymnen, unverständliche Rhetorik und aufgeblasene Aussagen dazu, mit welchem Ehrgeiz man in dieser Legislaturperiode gewisse Ziele verfolgen werde. Die neu gewählten Senatoren waren die Schlimmsten. Der junge Troy Barnes vom Staat New York hatte sich gute vierzig Minuten lang über seine göttliche Mission ausgelassen. Abigail fragte sich, ob ihm eigentlich bewusst war, dass ihn Menschen und nicht der liebe Gott gewählt hatten.
    Sie warf heimlich einen Blick auf ihre Schwester. Helena hatte im Laufe der Jahre die Kunst perfektioniert, hellwach zu wirken, obgleich sie in Wirklichkeit fest schlief. In vollendeter Haltung saß sie da, die Krempe ihres modischen Huts beschattete ihr Gesicht, und die Hände hielt sie bescheiden im Schoß gefaltet. Abigail allein wusste, dass sie selig schlief.
    Mit einer Stimme wie ein Ochsenziemer machte Senator Barnes deutlich, dass er das Feld in nächster Zeit nicht zu räumen gedachte. Abigail blickte die Galerie entlang und suchte eine unauffällige Fluchtmöglichkeit. Die eleganten Damen der Hauptstadt schienen damit beschäftigt zu sein, hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln und zu klatschen. Auf der Galerie gegenüber beobachteten ein paar Diplomaten und ausländische Minister in goldbetressten Galauniformen, Reporter sowie Touristen die Vorgänge.
    Während Barnes ungebremst weiterschwafelte, stand Abigail auf und schlich von der Galerie zu dem zentralen Durchgang zwischen den Kammern des Kongresses. Helfer und Pagen liefen durch die Gänge, trugen Botschaften aus und machten einen sehr beschäftigten Eindruck.
    Abigails Füße kribbelten, als das Blut wieder in den Beinen zirkulierte. Sie konzentrierte sich darauf, möglichst anmutig zu gehen; schätzungsweise blieb ihr nur eine gute Stunde, bevor der Vizepräsident das Ende der heutigen Sitzung verkündete.
    Leutnant Butler hatte den Eröffnungszeremonien nicht beigewohnt, und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Einerseits fürchtete sie sich vor dem Wiedersehen, doch andererseits sehnte sie sich danach. Sie sah ihn vor sich, wie er den Brief las, den er niemals hätte sehen sollen. Er musste annehmen, dass Helena für den Inhalt verantwortlich war. Irgendwann würde Abigail ihm die Wahrheit sagen. Dann würde sie sehen, wie sich seine Verwirrung in Schmerz und schließlich in kalte Abneigung verwandelte.
    Als sie hinter der oberen Galerie entlanglief, stürmten zwei Reporter heraus und eilten zum Telegrafenbüro im Untergeschoss. Abigail wollte den Grund der Aufregung erfahren, betrat die Galerie und setzte sich hinten hin.
    Während im Senat die Atmosphäre eines Herrenklubs geherrscht hatte, war es im Repräsentantenhaus laut und voll. Männer in einfachster Kleidung saßen herum, spuckten und rauchten, als wären sie Zuschauer bei einer Sportveranstaltung. Es überraschte Abigail nicht im Mindesten, Jamie Calhoun am Podium zu sehen. Sein Kragen stand offen, und das Haar fiel ihm in die Stirn. Was sie allerdings überraschte, war das Thema seiner leidenschaftlichen Rede.
    „... weshalb ich nach Washington kam, meine Herren. Nicht, um Eisenbahnen zu bauen, sondern um die Kleinbauern zu beschützen, die durch die Ausweitung des Schienennetzes von ihrem Land vertrieben werden“, brüllte er über das Stimmengewirr der Menge. „Welchen Wert hat der eiserne Schienenweg für einen Farmer, der keine Ernte hat, die er verladen könnte?“
    Ein wohlbeleibter Mann auf der anderen Seite des Mittelgangs schüttelte ungläubig den Kopf. „Der Mann muss lebensmüde sein“, murmelte er. Sein Abzeichen wies ihn als Timothy Doyle von der „Washington Post“ aus.
    „Weshalb sagen Sie das?“ flüsterte Abigail.
    „Er opponiert gegen die Expansion der Chesapeake Railroad. Da könnte er auch gleich gegen das freie Unternehmertum opponieren.“ Doyle rieb sich übers Gesicht und runzelte die Stirn. „Ist doch komisch, nicht? Was hat ein Mann aus der Plantagengesellschaft nur gegen die Eisenbahn? Jahrzehntelang arbeiteten sie doch Hand in Hand. Was will dieser Calhoun nur erreichen?“
    „Das weiß ich wirklich nicht.“ Abigail hörte sich die Rede weiter an, und ihre Verwunderung wuchs. In vielerlei Hinsicht war Mr. James Calhoun nicht das, was er zu sein schien.
     
    Am frühen Abend kehrten sie nach

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