Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
musste sie nur noch ohne Missgeschick den Tanz überstehen.
Sie verbarg ihre Furcht hinter einem Lächeln, legte ihre Hand in die von Leutnant Butler und folgte ihm zur Tanzfläche, um das nächste Stück abzuwarten. Bitte lass es etwas Langsames sein, betete sie. Einen gemessenen Paartanz würde sie gerade noch hinbekommen.
Die hohen Töne der Violinen schienen sich wie flüssiges Silber über den Saal zu ergießen. Leutnant Butler vollführte eine perfekte Verneigung, die Abigail mit einem kurzen Knicks beantwortete. Danach legte er ihr eine Hand an die Taille, während er mit der anderen ihre Hand fasste. Seine verlässliche Präzision und Verbindlichkeit gaben ihr Sicherheit und Zuversicht, als die ersten Takte des Tanzes erklangen.
Man spielte gottlob ein langsames Stück, dessen Tanzschritte ihr bekannt waren, denn oft lag sie nachts wach und sah sich selbst mit makelloser Anmut tanzen. Die Realität war jedoch etwas ganz anderes. Als sie sich nun beide über das Parkett bewegten, umklammerte sie seinen Oberarm wie im Todesgriff und konzentrierte sich so sehr, dass ihre Miene immer finsterer wurde. Leutnant Butler konnte nicht wissen, dass dieser Tanz für Abigail wie eine Reise voller Gefahren war. Er durfte es nicht merken, dass sie kurz davor stand, wie eine zerbrochene Puppe zusammenzusinken.
Oh Gott! Oh ihr Monde der Venus - er redete ja mit ihr, fragte sie etwas. „... eine hervorragende Verbindung, finden Sie nicht auch?“
„Oh gewiss“, sagte sie rasch. „Eine hervorragende Verbindung.“
„Das überrascht mich nicht.“ Leutnant Butler schien sich seiner Wirkung auf die weiblichen Hochzeitsgäste überhaupt nicht bewusst zu sein. Jedes Mal, wenn sie bei den Damen vorbeikamen, erschienen bemalte Seidenfächer wie Regenschirme bei einem Unwetter und flatterten vor hübschen Gesichtern, die bei jedem seiner Blicke erröteten. Er personifizierte den amerikanischen Traum, mit den dunklen, von Makassar-Ol glänzenden Haaren bis zu seinen messerscharf gebügelten Uniformfalten. Unwillkürlich betrachtete Abigail seinen wundervollen Mund, den ein perfekt gewachster
Schnurrbart beschattete. Was würde wohl geschehen, wenn sie diesen Mund küsste? Würde das Wachs rissig werden? Würde es unter ihrer Glut Schaden nehmen?
Bei den kühnen Gedanken errötete Abigail und war ungeheuer stolz, dass dieser Mann sie erwählt hatte. Sie war nicht halb so hübsch wie die Mädchen von Albemarie, nicht annähernd so geistreich wie die aus New York angereisten Erbinnen und auch nicht so anmutig wie die Kusinen der Braut aus Baltimore. Allerdings war sie intelligenter als alle zusammen. Doch was nutzte ihr dieser Vorzug?
„Weshalb überrascht es Sie nicht?“ fragte sie und konzentrierte sich auf die einfachen Tanzschritte. Sie wusste noch immer nicht, wovon eigentlich die Rede war, doch das war ihm bis jetzt gar nicht aufgefallen.
„Weil mein Vater der oberste Beamte des Senats und Ihrer der Vorsitzende des Eisenbahnkomitees ist. Beide zusammen kontrollieren im Wesentlichen den gesamten Kongress.“
Abigail nickte und wäre beinahe mit einem vorbeitanzenden Paar zusammengestoßen. Sie erkannte Mrs. Fortenay, die jetzt geradezu königlich über das Parkett schwebte. Und ihr Tanzpartner war kein anderer als der Mann, dem sie auf der Veranda begegnet war. Ihr stockte der Atem.
„Beunruhigt Sie das?“ erkundigte sich Leutnant Butler.
„Selbstverständlich nicht“, beeilte sie sich zu antworten. „Unsere Sache könnte in keinen besseren Händen liegen, meinen Sie nicht auch?“
Der Fremde ertappte sie dabei, wie sie ihn über die Schulter des Leutnants hinweg ansah. Er zwinkerte ihr zu. Er zwinkerte! Ein Schauder durchlief sie. Zuerst glaubte sie, dass sie sich diese Aufdringlichkeit nur eingebildet hatte, doch dazu war das spöttische Zwinkern für sie zu offensichtlich gewesen. Und ihre körperliche Reaktion darauf war ebenso unmissverständlich für ihn.
„Wer ist dieser Mann?“ platzte sie heraus, ehe sie sich besann. „Der unverschämte, an dem wir eben vorbeitanzten.“
Butler wandte sich ein wenig um und schaute an ihr vorbei. „Ach, der.“
„Sie kennen ihn also.“ Als sie sich wieder im Tanz drehten, verlor sie fast das Gleichgewicht, konnte jedoch einen besseren Blick auf den fremden Mann erhaschen. Er war bemerkenswert groß, weit über sechs Fuß, und sein Maßanzug saß perfekt. Das helle Haar trug er ein wenig zu lang, und im Gegensatz zu den meisten modebewussten Herren hatte er
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