Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
weder einen dick gewachsten Schnurrbart noch Koteletten.
„Ich hörte von ihm“, stellte Leutnant Butler richtig. „James Calhoun.“ Abigail ließ sich diesen seriösen, fast konventionellen Namen auf der Zunge zergehen, doch im Geist hörte sie die Schwester des Präsidenten ausrufen: „Ach Jamie, Jamie ...“ Der Mann sah auch mehr nach einem Jamie als nach einem James aus.
„Ich hörte, er habe in Europa die Universität besucht. Es hieß, dies geschah gegen den Willen seiner Eltern, die der Meinung waren, ein echter Gentleman aus Virginia sollte Old Dominion besuchen.“
Abigail versuchte, sich die Eltern vorzustellen, die von einem Sohn enttäuscht waren, der auf dem Kontinent studierte. „Und wer sind diese Leute?“
„Sein Vater, Charles Calhoun, züchtet Rennpferde. Man erzählte mir, der Sohn habe ein gutes Auge für den Ankauf von Arabern und sei schon an gefährliche Orte gereist, um diese Tiere zu erwerben.“ Butler lachte leise. „Und jetzt ist er Kongressabgeordneter geworden.“ Der Leutnant wurde wieder ernst und wirkte jetzt etwas unzufrieden.
„Was haben Sie?“ Abigail zog ihren Fuß nach. Ohne Zweifel hielt Butler sie für eine ungeschickte und langweilige Tanzpartnerin.
„Ich fühle mich an meine eigenen Pflichten erinnert“, gestand er. „Manchmal glaube ich, die Augen der Welt seien auf mich gerichtet.“
Abigail fand zwar, dass er mit der öffentlichen Aufmerksamkeit hervorragend zurechtkam, schwieg jedoch. Es war kein Geheimnis, dass die Partei seines Vaters Leutnant Butler für eine große politische Karriere ausersehen hatte - möglicherweise sogar eines Tages für die Präsidentschaft.
„Ich weiß natürlich, dass ich gebraucht werde“, erklärte er ohne falsche Eitelkeit. „Ich weiß, dass man führende Köpfe benötigt, doch es ist eine schwere Bürde. Gelegentlich brauche selbst ich ..." Er sprach nicht weiter.
„Was brauchen Sie, Leutnant Butler?“ Wonach immer er sich sehnt, ich möchte so gern diejenige sein, die es ihm gibt, dachte sie.
„Ach, nichts. Sie müssen mich für vollkommenen verrückt halten.“
„Nicht doch! Bitte, sagen Sie es mir.“
Er richtete den Blick zu Boden. „Ich wünsche mir oft, in meinem Leben gäbe es nur Romanzen und Poesie.“
Abigail verlor beinahe das Gleichgewicht, und nur mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen vermied sie es, tatsächlich zu stürzen. Weshalb müssen die Damen aber auch immer rückwärts tanzen? fragte sie sich und fand es ungerecht; in ihrem Fall konnte es schlicht verheerende Auswirkungen haben.
„Das ist doch ein höchst ehrenwerter Wunsch“, erklärte sie ihm. Ach Boyd, Boyd, sang ihr Herz; ich werde dir Romanzen und Poesie schenken - zu jeder einzelnen Minute des Tages. Sie hatte zwar nicht die leiseste Ahnung, wie sie das anstellen sollte, doch für ihn wollte sie schon einen Weg finden.
„Mit Ihnen kann man sich gut unterhalten, Miss Cabot“, stellte er fest. „In Ihrer Gegenwart fühle ich mich sehr wohl. Der Druck, den meine Stellung mit sich bringt, fällt von mir ab, wenn Sie in meiner Nähe sind.“
Wäre Abigail nicht so hoffnungslos erdgebunden gewesen, hätte sie in diesem Augenblick einen Höhenflug in den Himmel angetreten. Dies war ihre Chance. Dies war der Moment, ihm zu erzählen, wie es in ihrem Herzen ausgesehen hatte, seit sie beide tollpatschige Jugendliche gewesen waren. Sie holte tief Luft, schwankte noch eine Sekunde und fasste dann Mut. „Leutnant Butler, ich möchte Ihnen sagen, dass es mir ebenso geht.“
„Große Güte!“ Butler starrte über ihre Schulter auf irgendetwas und hätte sie beinahe losgelassen, wenn sie sich nicht an ihm festgehalten hätte.
„Was haben Sie denn?“ Abigail fürchtete schon, sie hätte ihn mit ihrer kühnen Äußerung beleidigt.
„Wer ist dieses Geschöpf?“ fragte er, ohne sie dabei anzusehen. Er schien ganz vergessen zu haben, dass sie noch existierte. „Sie ist eine Göttin!“
Abigail verdrehte den Hals und folgte Butlers Blickrichtung. Die Wirklichkeit hatte sie eingeholt, und Abigail stand mit beiden Füßen wieder fest auf dem Boden der Tatsachen. Leutnant Butler starrte offenen Mundes auf den geschwungenen Eingang, so wie jeder andere Mann im Ostsaal - der Bräutigam eingeschlossen. Doch Abigail musste gar nicht genau hinschauen, um zu wissen, wessen Ankunft ein solches Aufheben verursachte. Das hatte sie schon Dutzende Male zuvor erlebt.
Wenn sich jeder männliche Blick wandte, wenn in jedem männlichen Kopf
Weitere Kostenlose Bücher