Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
Jungen.“
„Wirklich?“
Sie zog ihm die kleine Halsbinde zurecht. „Du bist das Hübscheste, das ich je gesehen habe. Glatt zum Anbeißen hübsch!" Ihr Lachen und sein Kichern konnte er noch heute hören.
Jamies ,Abendessen mit den Erwachsenen' sollte das letzte für
lange Zeit sein, obschon er das damals noch nicht wusste. Er hatte alle Benimm-Regeln befolgt, hatte Danke und Bitte gesagt und aufgegessen, was vor ihn hingestellt worden war. Geredet hatte er nur, wenn man ihn dazu aufforderte, und er hatte auch nicht mit dem Fuß gegen das Tischbein gestoßen.
Als das Mahl beendet war, hatte sein Vater die Hände auf dem Tisch gefaltet, sich geräuspert und gesagt: „Du bist nunmehr fast erwachsen, Sohn.“
Das erfüllte Jamie natürlich mit großem Stolz, doch er fragte sich, weshalb seine Mutter ein so ernstes Gesicht machte und weshalb er Igee im Zimmer nebenan leise weinen hörte.
„Du wirst morgen auf die St. Swithin’s Schule in Philadelphia geschickt werden. Dort wird man dir eine ausgezeichnete Ausbildung geben.“
Noah hatte ihn begleitet und ständig versucht, so zu tun, als begäbe sich Jamie auf ein großes Abenteuer und nicht in einen Albtraum, der ihn noch jahrelang verfolgen würde.
Jetzt kehrte Jamie in die Gegenwart zurück und zu der Frau, die ihm gegenübersaß. Er setzte sein hinreißendes Lächeln auf. „Kein Mensch wird vor Ihnen schreiend in den Wald flüchten, Abby, mein Schatz.“
Seit sie die Auster gegessen hatte, war Abigail ein wenig grün im Gesicht. Sie wollte etwas sagen, drückte dann jedoch die Faust auf den Mund und floh vom Tisch.
17. KAPITEL
A bigail benötigte dringend frische Luft. Sie wollte das Haus durch den Hinterausgang verlassen, wobei sie durch Vor a rats- und Speisekammer sowie durch Räume gelangte, in denen es nach Melasse und getrockneten Kräutern roch. Der Küchenjunge zeigte ihr schließlich die Tür, durch die man auf eine geschützte Veranda kam. Dahinter befand sich ein Küchengarten, in dem einiges Grünzeug standhaft der Kälte des Herbstwetters trotzte.
Sie folgte einem Pfad, der hügelabwärts durch einen rosenumrankten Durchgang führte, und gelangte in einen Garten mit üppigen, gepflegten Rasenflächen, auf denen Herbstlaub lag. Spalierobstbäume fassten den Rasen ein.
Abigail hatte zwar die Feuerprobe mit den Austern überlebt, doch in einer wichtigeren Angelegenheit kamen ihr nun Zweifel. Was als ein harmloser, eher spielerischer Briefflirt begonnen hatte, war jetzt außer Kontrolle geraten. Ihr Schriftwechsel mit Leutnant Butler war so zu einer Romanze der Täuschung eskaliert.
Ihre Aufrichtigkeit hatte Abigail stets mit Stolz erfüllt, doch nun übte sie Tag für Tag Betrug aus. Für eine Person, die nie gut hatte lügen können, lernte sie das recht schnell von ihrem Lehrmeister Jamie Calhoun.
Er gab vor, ein Mensch mit schlichten Bedürfnissen zu sein, der ausschließlich den Wunsch hegte, seinem Land zu dienen, doch sie erkannte, dass er eine verborgene Vielschichtigkeit aufwies, die sie sich nur schwer auszumalen vermochte. Und weshalb sollte sie auch? Er bedeutete ihr doch nichts, war nur ein Mittel zum Zweck, jemand, der ihr die verwirrenden Rituale des Werbens nahe brachte, wie es auch ein Lexikon oder ein Orakel gekonnt hätte. Vermutlich würde es ihm sogar Spaß machen, als ein Orakel betrachtet zu werden.
Am Ende des Gartens, kurz vor der windzerzausten Küstenlinie, entdeckte sie einen niedrigen, schmiedeeisernen Zaun, der die rechteckige Begrenzung um einen kleinen Friedhof bildete.
Trockene gelbe Gräser schwankten im kalten Seewind, Dornenbüsche wucherten den Zaun entlang, und rote Hagebutten leuchteten durch das vertrocknende Blattwerk. Die meisten der Grabsteine trugen keine Verzierung, wenn man von einem Kreuz oder einem kurzen, in den Stein gemeißelten Vers absah.
Von Neugier getrieben betrat sie das eingezäunte Areal und wanderte zwischen den düsteren Gedenksteinen umher, die die salzige Luft angefressen und befleckt hatte. In die Grabsteine eingemeißelt waren über die Jahre hinweg die Namen der Calhouns; die älteste Inschrift datierte Bristol, England, 1684 und stand auf dem Grabmal eines Samuel Calhoun. „Er fuhr sieben Jahre lang als Kapitän zur See und zeugte sieben Söhne und sieben Töchter ..." Kein Wunder, dass der Friedhof so groß war.
Abigail fürchtete sich ein wenig davor, sich die frischer aussehenden Gräber anzuschauen, denn sie wollte sich Albion nicht als eine Stätte der
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