Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
strahlten. „Sie schickten uns immer die großartigsten Geschenke - einen Seidenschal für meine Mama, einen Satz Messingglöckchen für mich. Daddy versprach mir, eines Tages würde ich ihn begleiten dürfen, doch von der letzten Reise kam Onkel Jamie allein zurück. Da war er ganz abgemagert, hatte einen scheußlichen Bart und roch so komisch. Meiner Mama erzählte er, Daddy sei am anderen Ende der Welt gestorben. Er war ein wirklich feiner Kerl, mein Daddy, und ich vermisse ihn ganz fürchterlich.“
Ein starker, nach Marschland riechender Wind blies von Osten her. Abigail sah einen Schwarm Sandpfeifer nach Osten fliegen. In ihren Gedanken war sie jedoch bei dem Jungen, dessen Vater vergessen in einem unbekannten Land begraben lag.
Wenigstens verstand sie nun Jamie Calhoun. Es hieß immer, er habe sich nur in den Kongress wählen lassen, weil er sich langweilte und weil die Männer seines Standes eben auf diese Weise zeigten, dass sie ihre Bürgerpflichten erfüllten.
Jetzt wusste Abigail es besser.
18. KAPITEL
S enator Cabot schlief bereits fest, noch ehe der Raddampfer „Larissa“ die Chesapeake Bay hinter sich gelassen hatte und nun in die Mündung des Potomac dampfte.
Die Reisenden hatten beschlossen, auf dem Wasserweg in die Hauptstadt zurückzukehren. Schon auf der Kutschfahrt hatte Jamie seinen Standpunkt wegen der Eisenbahn klarmachen können, und jetzt stellte er Bequemlichkeit über Nutzen. Helena und Professor Rowan hatten sich wie gewöhnlich irgendwohin verzogen, benahmen sich zweifellos empörend und amüsierten sich dabei prächtig.
Abigail stand an der verzierten Eisenreling und sah zu, wie die ersten Sterne über der Bucht erschienen. Jamie, der aus einem der luxuriösen Salons des Riverboats herauskam, stellte sich zu ihr an das Geländer, doch sie gönnte ihm kaum einen Blick.
„Haben Sie schlechte Laune?“ erkundigte er sich.
„Und wenn es so wäre?“
„Dann würde ich mich gezwungen sehen, sie Ihnen zu vertreiben.“
„Sparen Sie sich die Mühe. Das schaffen Sie ohnehin nicht.“
„Wieso nicht?“
„Weil Sie selbst der Grund dafür sind.“
Er lachte. „Da müssen Sie sich schon etwas Besseres einfallen lassen! Sie haben schlechte Laune, und ich bin der Grund dafür?“
„Verrückt, nicht wahr? Das macht Sie wichtiger, als Sie sind. Doch da Sie mich schon gefragt haben - ja, ich bin böse auf Sie.“
„Weshalb? Ich dachte, ein Wochenende auf dem Land würde Ihnen Freude machen. Habe ich Ihnen nicht einen Ort gezeigt, wo es so dunkel ist, dass Sie sämtliche Sterne sehen konnten?“
„Ja.“
„Und habe ich Sie zu reiten gelehrt?“
„Ja“, bestätigte sie.
Er rückte nahe heran und drückte seine Schulter gegen die ihre, so dass Abigail seine Körperwärme spüren musste. „Habe ich Sie nicht das Küssen gelehrt? Möglicherweise brauchen Sie auf diesem Gebiet ja noch weitere Unterweisung?“
„Nein.“ Sie wich ein wenig zurück. „Von Ihnen brauche ich gar nichts. Niemals.“
Sie hörte ihn murmeln, und dann sagte er: „Offenbar ist mir etwas entgangen. Noch gestern waren wir die besten Freunde und genossen einen herrlichen Ferientag. Sie lehrten mich einiges über Sterne und Planeten, und ich lehrte Sie zu reiten und zu flirten.“ „Wir sind keine Freunde, weder die besten noch sonst irgendwelche. Ein Freund ist jemand, den man kennt. Er teilt sich einem mit, auch in Dingen, die man nicht gern teilt. Sie dagegen bewahren zu viele Geheimnisse, um irgendjemandes Freund zu sein.“
Er breitete die Arme aus. „Ich habe Ihnen eine Menge über mich selbst erzählt, brachte Sie nach Albion und stellte Sie meinen Eltern vor. Ist das kein Teilen?“
Er drängte sie in die Ecke, indem er sie zwischen die Reling und die Wand des oberen Salons drückte. Sie fühlte sich eingeschüchtert durch seine Größe und war sich der unleugbaren Spannung zwischen ihnen beiden unangenehm bewusst. Dennoch irritierte sie die aufrichtige Verblüffung, die sich in seinem Gesicht spiegelte.
„Sie haben mir nur oberflächliche Fakten berichtet und gezeigt. Über Galileo weiß ich genauso viel, und der ist schon seit Jahrhunderten tot. Was unter der Oberfläche liegt, haben Sie mir nicht gezeigt. Ich kenne Sie nur als einen bezaubernden, schönen Mann, der sich hinter einer Barriere aus Charme und weltmännischem Benehmen versteckt.“
Jetzt musste er lächeln. „Sie halten mich für charmant? Für schön? Du lieber Himmel - weltmännisch? Das wusste ich ja gar
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