Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
überhaupt an etwas erinnerte.
Ihr Vater sprach niemals über die Mutter, es sei denn nur ganz allgemein. Auf diese Weise hatte die kleine Abigail nur etwas erfahren, wenn sie sich die Porträts anschaute oder einen Blick oder zwei in die Aufzeichnungen der gesellschaftlichen Ereignisse erhaschte.
Beatrice Gavin war zu ihrer Zeit eine beliebte und atemberaubend schöne Debütantin gewesen, und sie hatte den begehrtesten Junggesellen von Washington geheiratet. Helena sah ihr sehr ähnlich, das wurde ihr immer wieder bestätigt. Und die große Ähnlichkeit war auch aus den Fotografien und dem goldgerahmten Porträt im Wintergarten zu erkennen.
„Das ist wunderschön“, sagte Abigail sehnsüchtig. „Vielen Dank, dass du es mir erzählt hast.“
„Viel ist es ja leider nicht.“ Helena schaute die Schwester prüfend an. „Sag mal, hast du etwas? Du siehst so bekümmert aus.“ Abigail holte tief Luft. „Leutnant Butler kommt heute Nachmittag zu Besuch.“
Helena trat an den Frisiertisch und fuhr fort, sich das Haar zu bürsten. „Wer? Butler ... ach der. Das ist doch der Mann, der dir all diese Briefe schrieb und der mit mir auf Nancy Wilkes’ Hochzeit getanzt hat, nicht?“
Abigail hätte ihre Schwester am liebsten für deren absichtliche Vergesslichkeit durchgeschüttelt. Wie konnte Helena Leutnant Butler vergessen haben, der doch der edelste junge Mann in der ganzen Navy - wahrscheinlich im ganzen Universum - war?
Andererseits spürte sie so etwas wie Erleichterung. Anscheinend behielt James Calhoun ja doch Recht. Falls das Unmögliche einträte und es Abigail gelänge, die Gunst des Leutnants zu gewinnen, würde Helena ihr das vermutlich nicht übel nehmen.
Sie rutschte auf der Bettkante hin und her. „Ich muss dir etwas gestehen.“
Helenas Bürstenstriche wurden langsamer. „Du machst doch nie etwas Falsches. Was solltest du denn schon zu gestehen haben?“ „Vielleicht erinnerst du dich, dass Leutnant Butler am Tag nach jener Hochzeit schrieb, er hoffe, in einen Briefwechsel mit dir treten zu dürfen.“
„Daran erinnere ich mich noch genau.“ Helena lächelte. „Und du warst so freundlich, ihm mit einem Brief zu antworten. Papa war hocherfreut über das Ganze. So etwas kannst du ja so gut, Abigail.“ „Nun, ich fürchte, diesmal war ich nicht so gut. Oder möglicherweise habe ich es ein wenig zu gut gemacht.“
Helena runzelte die Stirn und legte den Kopf schief. „Wie meinst du das? Sagtest du nicht, die Angelegenheit komme gut voran?“
„Ja, schon.“ Abigail drückte sich die Hände auf die Knie. „Ich fürchte nur, ich habe nicht ganz klargemacht, dass der Schriftwechsel für dich nur eine Art vorübergehender Flirt war. Ich nehme an, ich habe den Leutnant noch in dem Glauben bestärkt, seine Leidenschaft werde erwidert.“
„Weshalb, um Himmels willen, hast du das getan?“
Abigails Wangen brannten. Sie blickte zu Boden. Weil ich ihn liebe, dachte sie; ich konnte es nicht ertragen, dass ihm wehgetan wurde.
„Ich habe es für Papa getan“, erklärte sie laut. Das war zumindest die halbe Wahrheit. „Mr. Calhoun löste das Ganze aus, indem er einen Brief abschickte, der ... nun, der entschieden zu viel aussagte.“
Helena lächelte liebevoll. „Ach, Abigail, wo die meisten Menschen zwei Cents an Mühe einsetzen, setzt du gleich vier ein.“
„Ich hatte niemals vor, dass irgendjemand diesen Brief zu Gesicht bekäme. Etwas so Persönliches hätte ich niemals abgeschickt.“
„Wie kam Mr. Calhoun denn dazu, es zu tun?“
„Er ist ein leichtsinniger Mensch mit einem abartigen Verständnis von Humor. Er dachte, es wäre eine gute Möglichkeit, Vater zu beeindrucken, indem er dabei half, den perfekten Freier zu angeln. Das hätte ich natürlich sofort unterbinden müssen.“
„Was du allerdings nicht getan hast. Stattdessen hast du diese Briefromanze zwischen mir und Leutnant Barnes munter fortgesetzt.“
„Butler.“
„Und nun kommt er her, um dich persönlich aufzusuchen.“
„Ja. Äh, nein. Er will doch dich besuchen, Helena, weißt du noch?“
„Ach, Abigail!“
„Das ist aber noch nicht alles.“
„Was denn noch?“
Abigail fühlte sich hundeelend. „Die Korrespondenz wurde sehr ... leidenschaftlich. Unsere Gefühle - das heißt, eure Gefühle füreinander - vertieften sich.“
„Das ist doch wunderbar! Vater wird sehr ..."
„Stolz sein, ja. Das ist er auch. Er sagte es mir schon. Doch es kommt noch schlimmer. Leutnant Butler hat Vater ebenfalls
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