Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
geschrieben.“
„Weshalb machst du denn ein so trübsinniges Gesicht?“
„Weil der Leutnant herkommt. Er will um deine Hand anhalten!“
Jetzt wurde Helena blass. „Großer Gott! Wie konntest du nur?“ Voller Unruhe zog sie die Bürste durch ihr Haar, obwohl die kupferfarbenen Strähnen bereits glänzten.
Abigail war zerknirscht. „Das war wohl nicht meine beste Leistung, oder?“
Helena hielt inne, um nachzudenken. „Nun, möglicherweise hast du die Geschichte etwas zu weit getrieben, doch es könnte immerhin funktionieren. Bist du dir seiner Absichten auch völlig sicher?“
Mit zitternder Hand zog Abigail einen gefalteten Brief aus ihrer Schürzentasche. „Er schreibt so anrührend und wunderschön. Hör dir das an: ,Ihr Brief ist für mich kostbarer als ein Goldschatz. Ich trage ihn an meinem Herzen, damit sein Geist auf mich übergeht. Ich bitte Sie, liebster Engel, schreiben Sie mir wieder, und für mich wird Frühling sein nach einem langen, grauen Winter.“ Wie hätte ich denn auf einen solchen Brief nichts erwidern sollen?“
Helena drehte sich auf dem niedrigen Hocker herum. „Abigail.“
„Ja?“
„Du übertriffst dich selbst in allen Dingen. So war es immer. Sogar wenn du dich in die Tinte setzt, übertriffst du sämtliche Experten.“
„Ach ja?“
„Es gibt nichts, das du nur halb tätest.“
„Stimmt.“ Ihr Magen krampfte sich vor Zorn, Elend und Scham zusammen.
„Was wird also deiner Meinung nach geschehen, wenn er zu Besuch kommt?“ fragte Helena.
„Ich dachte mir, du würdest ihn empfangen.“
„Möglicherweise werde ich das auch tun. Ich werde mir anhören, was der Leutnant zu sagen hat, und Papa wird noch immer erfreut sein. Doch diese Täuschung muss ein Ende haben.“
„Ich bin ganz deiner Meinung.“ Wie konnte ich es nur so weit kommen lassen, fragte sie sich. „Du könntest ihm ja sagen ...“
„Nein, du wirst es ihm sagen! Du hast dich in diesen Schlamassel gebracht, und nun kannst du auch sehen, wie du da wieder herauskommst.“
„Du bist doch diejenige, die von mir verlangt hat, ihm zu schreiben!“ protestierte Abigail.
„Aber ich habe von dir nicht verlangt, dass du die Sache so weit treibst.“
Abigail warf ihrer Schwester einen wütenden Blick zu und spürte zum ersten Mal, dass ihre Beziehung einen Riss bekam. Jahrelang hatten sie zusammengehalten wie Pech und Schwefel und viele Abenteuer gemeinsam bestanden. Doch nun sah es so aus, als ob sie die Schauspielerinnen in einer schlechten Farce wären, wobei die beteiligten Personen überhaupt keine Schauspieler waren. Dies hier würde das Leben vieler Menschen verändern.
„Du hast natürlich Recht. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, die Angelegenheit zu regeln. Ich muss Leutnant Butler die Wahrheit sagen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen tragen.“ Abigail zog sich am Bettpfosten hoch, stand auf und zwang sich zu einem Lächeln. „Man sagt, eine Beichte reinige die Seele. Nach diesem Gespräch dürfte meine Seele blitzblank sein.“
20. KAPITEL
D reimal schlug Helena Cabot den Messingklopfer gegen Michael Rowans Haustür, und dann stürmte sie hinein, bevor jemand sie in Empfang nehmen konnte. Sie war nämlich nicht in der Stimmung, lange zu warten. Nicht einmal ihr Frühstück hatte sie essen können, weil sie wegen des bevorstehenden Besuchs viel zu unruhig war und mit jeder Minute aufgeregter wurde.
Helena hatte etwas Wichtiges mit Michael zu besprechen, suchte jedoch zuerst nach Jamie Calhoun. Gebeugt über seine Papiere, die den ganzen Schreibtisch bedeckten, fand sie ihn im unteren Salon. Nur sie vermochte die Veränderung in seinem Gesichtsausdruck zu erkennen. Helena hatte ein ungewöhnliches Gespür für Nuancen und Stimmungen, und so wusste sie auf der Stelle, dass ihm die andere Miss Cabot lieber gewesen wäre.
„Also, wir haben doch wirklich die hübschesten Nachbarinnen in Georgetown!“ bemerkte er aufgeräumt und mit dem weichen Akzent seines Landstrichs.
„Sie sind schwer in der Bredouille, Sir“, erklärte sie.
„Ich bitte um Entschuldigung?“
„Das ist nicht nötig. Allerdings sollten Sie auf Knien Abigail um Vergebung bitten.“
„Und für welche Missetat? Es stehen ja so viele zur Auswahl.“
„Sie haben meine Schwester zum Narren gehalten, indem Sie sie ermutigten, in meinem Namen Boyd Butlers Freien zu unterstützen. Uns alle haben Sie zum Narren gehalten!“
„Ja, das kommt von der Liebe. Weswegen ich ihr auch um jeden Preis aus dem
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