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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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aber das wussten wir ja schon. Möglicherweise haben wir dort einen Treffer abbekommen, und sie hat ein Loch. Wir haben eine Sicherung der Videoüberwachung … warte mal …«
    Holden ging hinüber und spähte Alex über die Schulter. Prax nahm noch einen Schluck von seinem Essen, bis seine Neugierde die Oberhand gewann. Das Bild der Frachthalle, kaum größer als Prax’ Handfläche, nahm eine Ecke des Displays ein. Der größte Teil der Fracht war mit elektromagnetischen Paletten gesichert und stand auf den Plätzen, die der weiten Luke am nächsten waren. Einige hatten sich jedoch gelöst und wurden durch den Schub auf den Boden gepresst. Der Raum wirkte unwirklich wie eine Zeichnung von Escher. In einer Ecke war eine große Beule in dem Metall zu erkennen. Wo die oberen Schichten geborsten waren, konnte man helles Metall erkennen. Durch das Loch schimmerten sogar die Sterne.
    »Wenigstens ist es nicht zu übersehen«, sagte Alex.
    »Was hat uns da getroffen?«, fragte Holden.
    »Keine Ahnung, Käpt’n«, antwortete Alex. »Soweit ich es überblicke, gibt es keine Brandspuren. Ein Gaussgeschoss hätte die Wand nicht so nach innen verbogen, sondern nur ein Loch geschlagen. Außerdem ist es nicht weiter nach innen durchgedrungen. Was es auch war, es hat nur den Frachtraum erfasst.«
    Der Pilot vergrößerte noch einmal die Auflösung und sah sich die Kanten des Lochs genau an. Es gab tatsächlich keine Verbrennungen, aber am Metall der Tür und auf dem Deck waren dünne schwarze Streifen zu sehen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, dann schloss er ihn wieder.
    Holden sprach aus, was Prax dachte.
    »Alex? Ist das ein Handabdruck?«
    »Sieht so aus, Käpt’n, aber …«
    »Zoome heraus, und überprüfe das ganze Deck.«
    Sie waren klein, fast unsichtbar. Auf dem kleinen Bild leicht zu übersehen. Aber sie waren da. Ein verschmierter Handabdruck in einer dunklen Fläche, die, so dachte Prax, früher einmal rot gewesen war. Der unverkennbare Abdruck von fünf Zehen. Ein langer dunkler verschmierter Streifen.
    Der Pilot verfolgte die Spur.
    »Im Frachtraum herrscht doch Vakuum, oder?«, vergewisserte sich Holden.
    »Seit anderthalb Tagen«, bestätigte Alex. Die Lässigkeit war dahin. Jetzt waren sie konzentriert und sachlich.
    »Fahr mal nach rechts.«
    »In Ordnung.«
    »Gut, halt jetzt. Was ist das?«
    Der Körper war wie ein Fötus zusammengerollt, nur die Hände lagen flach an der Wand. Er lag vollkommen still, als stünde er unter hoher G-Belastung und werde gegen das Deck gepresst, niedergedrückt von seinem eigenen Gewicht. Die Haut war dunkel wie Anthrazit und rot wie Blut. Prax konnte nicht erkennen, ob es ein Mann oder eine Frau war.
    »Alex, haben wir einen blinden Passagier?«
    »Ich bin ziemlich sicher, dass das da nicht auf der Frachtliste steht.«
    »Und hat dieser Kerl da die Außenhülle meines Schiffs mit bloßen Händen geknackt?«
    »Sieht fast so aus, ja.«
    »Amos? Naomi?«
    »Ich sehe es mir auch gerade an.« Naomis Stimme drang eine Sekunde vor Amos’ leisem Pfiff aus dem Terminal. Prax dachte an die geheimnisvollen Kampfgeräusche im Labor, an die toten Wachen, die nicht einmal gekämpft hatten, an das geborstene Glas und die schwarzen Fasern. Hier war das Experiment, das im Labor seine Fesseln abgestreift hatte. Es war auf die kalte, tote Oberfläche von Ganymed vorgedrungen und hatte auf eine Fluchtmöglichkeit gewartet. Prax bekam eine Gänsehaut auf den Armen.
    »Na gut«, sagte Holden. »Aber es ist doch tot, oder?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete Naomi.

25 Bobbie
    Um vier Uhr dreißig Ortszeit spielte Bobbies Handterminal das Wecksignal ab. Damals, bei der Raummarine, hatten sie und ihre grollenden Kameraden diese Uhrzeit »kurz vor halb Nacht« genannt. Sie hatte das Terminal im Wohnzimmer neben der herabfahrbaren Pritsche, die ihr als Bett diente, abgelegt und die Lautstärke weit genug aufgedreht, um ihr die Ohren klingeln zu lassen, wenn sie in Reichweite schlief. Doch Bobbie war schon seit einer Stunde auf den Beinen. In ihrem winzigen Badezimmer war der Apparat ausgesprochen nervig, wenn er drüben im kleinen Wohnzimmer losbrüllte wie ein Funkgerät in einem tiefen Schacht. Die Echos erinnerten sie daran, dass sie immer noch nicht viele Möbel und keinen Wandschmuck besaß.
    Es spielte keine Rolle. Gäste hatte sie ohnehin noch nicht empfangen.
    Das Wecksignal war ein böser kleiner Streich, den Bobbie sich selbst spielte. Als das marsianische Militär entstanden war,

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