Calibans Krieg
»Entweder ist das Teil rundherum geflogen, oder euer Reaktor hat sich ziemlich schnell geduckt.«
»Was meinst du, wie lange es dauert?«
»Die Wand ist kein Problem.« Sie machte Eingaben auf ihrem Terminal und tippte sich mit der Kante des Geräts gegen die Schneidezähne. »Wir können durch die Frachtluke einen Flicken hereinbringen, der groß genug ist. Das macht die Sache erheblich einfacher. Der Stromverteiler dauert länger. Vier Tage, würde ich sagen, wenn meine Mannschaft sofort anfängt.«
»Tja«, antwortete Holden und zuckte dabei zusammen wie ein Mann, der schon wieder neue Missetaten gestehen muss. »Außerdem ist die Frachtluke beschädigt und muss repariert oder ersetzt werden. Und die Luftschleuse im Frachtraum ist ein bisschen kaputt.«
»Also noch zwei Tage mehr.« Sam kniete nieder und nahm ein paar Sachen aus dem Werkzeugkasten. »Was dagegen, wenn ich schon mal einige Messungen vornehme?«
Holden winkte in Richtung der Wand. »Natürlich nicht, gern.«
»Habt ihr Nachrichten gesehen?«, fragte Sam und deutete auf die Sprecher auf dem Wandmonitor. »Ganymed ist wohl im Eimer, was?«
»Ja«, bestätigte Alex. »So sieht es wohl aus.«
»Aber bisher ist nur Ganymed betroffen«, fügte Holden hinzu. »Das bedeutet etwas, das mir noch nicht ganz klar ist.«
»Naomi wohnt vorübergehend bei mir«, sagte Sam, als hätten sie die ganze Zeit über nichts anderes geredet. Holdens Miene erstarrte, er wehrte sich dagegen und rang sich ein Lächeln ab.
»Oh, schön.«
»Sie redet nicht darüber, aber wenn ich herausfinde, dass du gemein zu ihr warst, kriegst du hiermit was auf die Eier.« Sie hob einen Schraubenschlüssel. Alex lachte nervös, brach ab und fühlte sich einfach nur noch unwohl.
»Ich betrachte das mal als faire Warnung«, entgegnete Holden. »Wie geht es ihr denn?«
»Sie ist still«, berichtete Sam. »In Ordnung, ich habe alles, was ich brauche. Jetzt muss ich der Fabrik Bescheid geben, damit sie einen passenden Flicken für die Wand produziert. Bis dann.«
»Mach’s gut, Sam.« Alex sah ihr nach, als sie mit dem Leiterlift wegfuhr, bis sich die Luke hinter ihr schloss. »Ich bin zwanzig Jahre zu alt und habe wahrscheinlich auch die falsche Verdrahtung, aber ich mag das Mädchen.«
»Wechselst du dich mit Amos darin ab?«, fragte Holden. »Oder gibt es im Morgengrauen ein Pistolenduell, um zu klären, wer sie lieber hat?«
»Meine Liebe ist eine reine Liebe«, deklamierte Alex grinsend. »Ich würde sie doch nicht besudeln, indem ich, du weißt schon, etwas Handgreifliches unternehme.«
»Also die Sorte Liebe, über die Poeten schreiben.«
»Tja.« Alex lehnte sich an eine Wand und studierte seine Fingernägel. »Dann lass uns mal über die XO-Situation reden.«
»Lieber nicht.«
»Und ob.« Alex machte einen Schritt auf Holden zu und verschränkte die Arme vor der Brust, um deutlich zu machen, dass er nicht klein beigeben würde. »Ich fliege das Schiff seit mehr als einem Jahr allein. Das funktioniert aber nur, weil Naomi ein erstklassiger Operationsoffizier ist und mir eine Menge abnimmt. Wenn wir sie verlieren, fliegen wir nicht mehr. Das ist eine Tatsache.«
Holden steckte das Handterminal, das er benutzt hatte, in die Hosentasche und sackte an der Reaktorabschirmung in sich zusammen.
»Ich weiß. Ich weiß das doch. Ich hätte nie gedacht, dass sie es tatsächlich tut.«
»Dass sie weggeht?«, fragte Alex.
»Ja.«
»Wir haben uns nie über die Bezahlung unterhalten«, fuhr Alex fort. »Wir bekommen kein Gehalt.«
»Bezahlung?« Holden sah Alex stirnrunzelnd an und trommelte mit den Fingern einen schnellen Rhythmus auf die Abdeckung. Es hallte wie ein metallenes Grab. »Jeder Penny, den Fred uns gegeben hat und der nicht für den Betrieb des Schiffs draufgegangen ist, liegt auf dem Konto, das ich eingerichtet habe. Wenn du etwas brauchst, nur zu. Fünfundzwanzig Prozent gehören dir.«
Alex schüttelte den Kopf und winkte ab. »Nein, versteh mich nicht falsch. Ich brauche kein Geld, und ich denke nicht, dass du uns hintergehst. Ich wollte dich nur darauf hinweisen, dass wir nie über Bezahlung gesprochen haben.«
»Und?«
»Das bedeutet, dass wir keine normale Crew sind. Wir arbeiten nicht für Geld auf dem Schiff oder weil uns das Militär eingezogen hat. Wir sind hier, weil wir hier sein wollen. Das ist die ganze Macht, die du über uns hast. Wir glauben an die Sache und wollen bei dem mitmachen, was du tust. Wenn wir das verlieren, können wir ebenso
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