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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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etwas leichter, die Geschichte zu erzählen. Die Details fügten sich zusammen, eins führte zum anderen. Das Protomolekül erwähnte er nicht. Im besten Fall hätte es sie verängstigt, im schlimmsten Fall hätten sie angenommen, der Verlust habe ihn um den Verstand gebracht.
    Als die letzte Botschaft gesendet war, saß er schweigend im Zimmer. Es gab nur noch eine Sache, die er tun musste, da er jetzt uneingeschränkt kommunizieren konnte. Es war keine schöne Aufgabe.
    Er startete die Aufzeichnung.
    »Basia«, sagte er. »Hier ist Praxidike. Ich wollte dir nur mitteilen, dass Katoa tot ist. Ich habe seinen Leichnam gesehen. Es … es schien mir nicht so, als hätte er gelitten. Ich dachte, wenn ich an deiner Stelle wäre, dann … dann hätte ich mich gefragt … dann wäre die Ungewissheit das Schlimmste gewesen. Es tut mir leid. Ich wollte nur …«
    Er schaltete ab, verschickte die Botschaft und kroch auf das kleine Bett. Eigentlich hatte er mit einer harten und unbequemen Unterlage gerechnet, aber die Matratze war so behaglich wie eine mit Gel gefüllte Druckliege, und er schlief sofort ein, um vier Stunden später zu erwachen, als hätte jemand in seinem Hinterkopf einen Schalter umgelegt. Amos war immer noch unterwegs, obwohl es auf der Station längst Mitternacht war. Von Persis-Strokes war noch keine Antwort eingegangen, also formulierte Prax eine höfliche Nachfrage, um sich zu vergewissern, dass seine Botschaft nicht verloren gegangen war, sah sie noch einmal an und löschte sie wieder. Er duschte ausgiebig, wusch sich zweimal die Haare, rasierte sich und erstellte eine neue Aufnahme, auf der er nicht wie ein tobender Irrer aussah.
    Zehn Minuten nach dem Absenden zirpte es, weil eine Nachricht eingegangen war. Eine Antwort konnte es nicht sein, denn aufgrund der Zeitverzögerung hatte seine Nachfrage noch nicht einmal Luna erreicht. Es war Nicola. Das herzförmige Gesicht sah älter aus als bei ihrer letzten Begegnung, an den Schläfen waren die ersten grauen Strähnen zu erkennen. Doch als sie das weiche, traurige Lächeln aufsetzte, war er wieder zwanzig und saß ihr gegenüber im großen Park, während die Bhangra-Musik hämmerte und die Laserstrahlen ständig wechselnde Kunstwerke auf die Eiskuppel über ihnen malten. Er erinnerte sich, wie es gewesen war, sie zu lieben.
    »Ich habe deine Botschaft bekommen«, begann sie. »Ich … es tut mir so leid, Praxidike. Ich wünschte, ich könnte mehr tun. Die Dinge stehen hier auf Ceres nicht so gut. Ich rede mal mit Taban. Er verdient besser als ich, und wenn er versteht, was passiert ist, will er um meinetwillen vielleicht helfen. Pass gut auf dich auf, alter Mann. Du siehst müde aus.«
    Meis Mutter beugte sich vor, und die Aufzeichnung brach ab. Ein Symbol zeigte die autorisierte Überweisung von achtzig FusionTek Reál an. Prax überprüfte den Wechselkurs und tauschte die Firmenwährung in UN-Dollar um. Es war fast ein Wochenlohn. Nicht genug. Nicht einmal annähernd genug. Aber trotzdem, für sie war es ein Opfer gewesen.
    Er rief die Nachricht noch einmal auf und hielt sie in der Pause zwischen zwei Worten an. Nicola sah ihn vom Terminal aus an, die Lippen waren halb geöffnet, er konnte die hellen Zähne erkennen. Ihre Augen blickten traurig und zugleich verspielt. Lange hatte er gedacht, es sei ihre Seele und nicht nur eine Laune der Physiognomie, die ihr diesen Ausdruck verhaltener Freude verlieh. Er hatte sich geirrt.
    Als er in Erinnerungen und Fantasien verloren in der Kabine saß, ging eine neue Nachricht ein. Sie kam von Luna, von Persis-Strokes. Mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung öffnete er die angehängte detaillierte Liste. Schon bei den ersten Zahlen sank ihm das Herz.
    Mei war vielleicht dort draußen. Vielleicht lebte sie noch. Strickland und seine Leute waren auf jeden Fall dort. Man konnte sie finden. Man konnte sie schnappen. Es musste doch Gerechtigkeit geben.
    Er konnte es sich nur nicht leisten.

32 Holden
    Holden saß im Maschinenraum der Rosinante auf einem Klappstuhl und begutachtete die Schäden, um für die Reparaturmannschaften der Tycho-Station Notizen zu machen. Alle anderen waren fort. Manche sogar mehr als die anderen, dachte er.
    STEUERBORD MASCHINENRAUM SCHOTTWAND ERSETZEN.
    BETRÄCHTLICHE SCHÄDEN IM STROMVERTEILER BACKBORD, MÖGLICHERWEISE GESAMTEN VERTEILER ERSETZEN.
    Drei Zeilen Text, die für Hunderte Arbeitsstunden und für Hunderttausende Dollar an Kosten für Ersatzteile standen. Sie fassten auch

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