Calibans Krieg
Grapefruitsaft zu mir zu nehmen.«
Wieder lachte sie und löste damit den letzten Knoten in Holdens Bauch. In freundlichem Schweigen saßen sie beieinander, bis die Getränke kamen. Sie trank einen kleinen Schluck, schmatzte begeistert und sagte: »Na gut, erzähl.«
Holden trank einen viel größeren Schluck, der das kleine Glas Scotch fast leerte, und redete sich ein, die Wärme im Bauch sei ein guter Ersatz für den Mut, den er jetzt brauchte. Ich fühle mich nicht wohl, nachdem wir so auseinandergegangen sind, und dachte, wir sollten mal reden. Die Sache irgendwie zusammen klären. Er räusperte sich.
»Ich habe alles vermasselt«, begann er. »Ich habe meine Freunde mies behandelt. Noch schlimmer als mies. Du hattest völlig recht mit dem, was du getan hast. Ich wollte nicht hören, was du mir gesagt hast, aber du hattest damit recht.«
Naomi trank noch einen Schluck Martini, griff gelassen nach oben und zog sich das elastische Band, das die Masse schwarzer Locken hinter dem Kopf hielt, heraus. Die Haare fielen ihr vor das Gesicht. Holden dachte an eine mit Efeu bedeckte steinerne Wand. Soweit er sich erinnern konnte, löste Naomi ihre Haare nur, wenn sie von starken Gefühlen bewegt war. Sie verbarg sich dahinter, weil sie so auffällig waren. Das Auge wurde ganz von selbst von diesen glänzenden schwarzen Locken angezogen. Ein Ablenkungsmanöver. In diesem Moment wirkte sie sehr menschlich, so verletzlich und verloren wie er selbst. Er spürte eine Woge der Zuneigung, die ihm wohl anzusehen war, denn sie betrachtete ihn und errötete.
»Was ist das, Jim?«
»Eine Entschuldigung?«, sagte er. »Das Eingeständnis, dass du recht hattest und ich mich in eine perverse Version von Miller verwandelt habe. Mindestens dies. Hoffentlich, und wenn ich Glück habe, ist es auch der Anfang eines Gesprächs, mit dem wir uns aussöhnen.«
»Ich bin froh, dass du endlich darauf gekommen bist«, sagte Naomi. »Aber ich rede schon seit Monaten darüber, und du …«
»Warte mal«, fiel Holden ihr ins Wort. Er spürte körperlich, wie sie vor ihm zurückwich, weil sie sich nicht darauf einlassen wollte. Alles, was er ihr jetzt noch bieten konnte, war die reine Wahrheit. »Ich habe dir nicht zugehört, weil ich Angst hatte. Und ich war ein Feigling.«
»Angst macht dich nicht zum Feigling.«
»Nein«, antwortete er, »natürlich nicht. Aber die Weigerung, mich der Angst zu stellen. Nicht zuzugeben, wie ich mich gefühlt habe. Mir nicht von dir, Alex und Amos helfen zu lassen. Das war Feigheit. Damit habe ich möglicherweise dich, die Loyalität der Crew und alles verloren, was mir wirklich wichtig war. Deshalb habe ich einen miesen Job viel länger behalten, als ich es hätte tun sollen. Einfach nur, weil er sicher war.«
Eine kleine Gruppe der Golgo-Spieler näherte sich ihrem Tisch. Holden war dankbar, als Naomi sie mit einer Geste abwehrte. Es bedeutete, dass sie weiter mit ihm reden wollte. Das war immerhin ein Anfang.
»Sag mal, wohin willst du eigentlich von hier aus?«, fragte sie ihn.
Holden grinste. »Ich habe keine Ahnung, und das ist das beste Gefühl, das ich seit langer Zeit hatte. Aber ganz egal, wie es jetzt weitergeht, ich brauche dich dabei.«
Als sie protestieren wollte, hob Holden eine Hand, um sie zu unterbrechen, und fuhr fort: »Nein, so meinte ich das nicht. Ich würde dich gern zurückgewinnen, aber mir ist klar, dass es eine Weile dauern kann oder nie wieder dazu kommt. Ich meinte, die Rosinante braucht dich. Die Crew braucht dich.«
»Ich will sie auch nicht verlassen«, antwortete Naomi mit einem schüchternen Lächeln.
»Sie ist dein Zuhause, und das wird sie immer sein, solange du willst. Und unabhängig von dem, was zwischen uns ist.«
Naomi wickelte sich eine dicke Strähne um den Finger und trank ihr Glas aus. Holden deutete auf das Menü des Tischs, doch sie wedelte abwehrend mit der Hand.
»Liegt es daran, dass du Fred zur Rede gestellt hast?«
»Ja, teilweise«, antwortete Holden. »Ich habe in seinem Büro gestanden und mich schrecklich gefühlt und erkannt, dass ich schon seit langer Zeit Angst habe. Auch bei ihm habe ich es vermasselt. Einiges ist wahrscheinlich auch seine Schuld. Er ist von seiner Sache überzeugt, und solche Leute sind schlechte Partner. Aber vor allem ist es mein Problem.«
»Hast du gekündigt?«
»Er hat mich gefeuert, aber ich wollte sowieso aufhören.«
»Also«, fasste Naomi zusammen. »Du hast unseren Auftraggeber und Gönner vergrätzt. Ich
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