Calibans Krieg
nicht da war, polterte sie zur Schalttafel und drückte noch einige Male auf den Knopf, bis ein kleiner Hinweis erschien: AUSSER BETRIEB .
»Verdammt«, fluchte Bobbie leise. »Die halten uns wirklich gefangen.«
Sie hatte den Außenlautsprecher nicht abgeschaltet, und so hallte ihre blecherne Stimme durch den Raum. Avasarala hob nicht einmal den Kopf, sondern starrte nur den Drink an. »Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen gesagt habe.«
»Was?« Bobbie hatte nicht richtig hingehört, sondern kletterte schon unbeholfen über die Notleiter zum nächsten Schott und drückte auf den Knopf. Die Luke öffnete sich. Das bedeutete, dass sie immer noch so taten, als sei es keine Entführung. Den Ausfall des Aufzugs konnten sie irgendwie erklären, aber es wäre schwieriger geworden, wenn sie die Untergeneralsekretärin vorsätzlich vom Rest des Schiffs aussperrten. Vielleicht dachten sie, eine über siebzig Jahre alte Frau werde nicht unbedingt auf Leitern herumturnen, sodass es ausreichte, den Lift lahmzulegen. Im Grunde hatten sie damit sogar recht. Avasarala sah nicht so aus, als sei sie bereit, dreißig Meter weit zu klettern. Nicht einmal in dieser niedrigen Schwerkraft.
»Keiner dieser Leute war auf Ganymed«, sagte Avasarala.
»Gut«, antwortete Bobbie, obwohl sie die Bemerkung nicht verstanden hatte.
»Sie können so oder so nicht genug von ihnen töten, um Ihre Abteilung wieder lebendig zu machen.« Avasarala kippte den Gin, riss sich von der Bar los und zog sich in ihr Zimmer zurück.
Bobbie antwortete nicht. Sie arbeitete sich bereits zum nächsten Deck vor und schloss hinter sich die Luke.
Die Rüstung war für Missionen wie diese konstruiert. Die ersten Rüstungen der Goliathklasse waren für Marinesoldaten entworfen worden, die bei Gefechten gegnerische Schiffe entern sollten. Das bedeutete, dass sie auch in engen Räumen sehr wendig waren. Ganz egal, wie gut die Rüstung war, sie verlor ihren Sinn, wenn der Soldat, der sie trug, nicht auf Leitern klettern, durch die für Menschen vorgesehenen Luken schlüpfen und bei geringer Schwerkraft gewandt manövrieren konnte.
Bobbie stieg die Leiter zum nächsten Deck hinauf und drückte auf den Knopf. Die Konsole reagierte mit einem roten Warnlicht. Nach ein paar Minuten hatte sie dem Menü den Grund entlockt: Die Besatzung hatte die Aufzugkabine direkt über der Luke angehalten und funktionsuntüchtig gemacht. So war der Aufzugschacht blockiert. Außerdem ahnten sie offenbar, dass etwas im Gange war.
Bobbie sah sich in dem Raum um, den sie kurz vorher erreicht hatte. Es war offenbar ebenfalls ein Salon, demjenigen sehr ähnlich, aus dem sie gekommen war. Sobald sie die versteckten Überwachungskameras entdeckt hatte, winkte sie. Damit könnt ihr mich nicht aufhalten, Jungs.
Sie betrat das luxuriöse Badezimmer. Auf einem so vornehmen Schiff war es natürlich kein einfacher Lokus. Nach ein paar Versuchen hatte sie den gut versteckten Wartungszugang gefunden. Er war versperrt. Bobbie riss ihn einfach auf.
Auf der anderen Seite entdeckte sie ein Gewirr von Leitungen und einen schmalen Korridor, der gerade breit genug für ihren Anzug war. Sie stieg hinein und zog sich an den Leitungen zwei Decks weiter, dann öffnete sie mit einem Tritt die nächste Luke und krabbelte in den Raum.
Sie war offenbar in einer Mannschaftskombüse herausgekommen. An einer Wand standen Herde und Backöfen, es gab ein paar Kühlschränke und jede Menge Arbeitsflächen. Alles bestand aus glänzendem Edelstahl.
Ihr Anzug warnte sie, dass jemand auf sie zielte, und veränderte das Display, bis sie die normalerweise unsichtbaren Infrarotstrahlen wahrnehmen konnte. Ein halbes Dutzend Gegner wollten auf ihren Oberkörper schießen. Die Sicherheitskräfte von Mao-Kwik lauerten, mit kompakten schwarzen Waffen ausgerüstet, am anderen Ende des Raums.
Bobbie richtete sich auf und musste den Wachleuten zugutehalten, dass sie nicht sofort die Flucht ergriffen. Ihr Helmdisplay überprüfte die Waffendatenbank und informierte sie, dass die Männer mit 5mm-Maschinenpistolen bewaffnet waren, die Magazine mit dreihundert Patronen besaßen und zehn Geschosse pro Sekunde abfeuern konnten. Sofern sie keine explosive, panzerbrechende Munition geladen hatten, was man in einem Raumschiff aber kaum erwarten konnte, schätzte der Anzug die Gefahr als niedrig ein.
Bobbie vergewisserte sich, dass der Außenlautsprecher noch funktionierte. »Also gut, Leute, lasst uns …«
Sie eröffneten das Feuer.
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