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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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ein.«
    »Dann wollen wir herausfinden, worauf sie sich einlassen.«
    Ohne ein weiteres Wort stand Avasarala auf und ging zur Tür. Ihr persönlicher Assistent, ein europäischer Bursche namens Soren Cottwald, löste sich von der Rückwand und folgte ihr. Die Generäle taten so, als bemerkten sie nicht, dass sie ging, oder vielleicht waren sie auch mit den neuen Problemen, die Avasarala ihnen eingebrockt hatte, derart beschäftigt, dass sie es tatsächlich nicht bemerkten. Wie auch immer, die Militärvertreter waren mindestens ebenso erfreut wie sie selbst, als sie den Raum verließ.
    Die Gänge des UN-Gebäudes in Den Haag waren sauber und weit, die Inneneinrichtung erinnerte ein wenig an die portugiesischen Kolonien um 1940. An einem Recycler für organische Abfälle blieb sie stehen und klaubte die Schalen aus der Handtasche zusammen.
    »Was kommt jetzt?«, fragte sie.
    »Nachbesprechung mit Mister Errinwright.«
    »Und dann?«
    »Meeston Gravis wegen des Afghanistan-Problems.«
    »Sagen Sie das ab.«
    »Was soll ich ihm mitteilen?«
    Avasarala wischte sich über dem Abfallbehälter die Hände ab, drehte sich um und ging mit raschen Schritten zur zentralen Halle mit den Aufzügen.
    »Er kann mich mal«, verkündete sie. »Sagen Sie ihm, die Afghanen haben sich schon gegen Fremdherrschaft gewehrt, bevor meine Vorfahren die Briten hinausgeworfen haben. Sobald ich weiß, wie ich das ändern kann, gebe ich ihm Bescheid.«
    »Jawohl, Madam.«
    »Außerdem brauche ich aktuelle Informationen zur Venus. Die neuesten Daten. Und ich habe keine Zeit, mir einen weiteren Doktortitel zu erarbeiten, um es zu lesen. Wenn es nicht in klarer, knapper Sprache abgefasst ist, werfen Sie den Mistkerl raus, und suchen Sie jemanden, der schreiben kann.«
    »Jawohl, Madam.«
    Der Aufzug, der von der Haupthalle und den Konferenzräumen nach oben in die Büros fuhr, glitzerte wie ein in Stahl eingefasster Diamant und war groß genug für ein Dinner zu viert. Der Lift erkannte sie, als sie eintraten, und stieg langsam auf. Draußen, vor den Fenstern der öffentlich zugänglichen Bereiche, versank der Innenhof. Dahinter erstreckte sich der riesige Ameisenhaufen von Gebäuden der Stadt Den Haag unter einem wolkenlosen blauen Himmel. Es war Frühling, und der Schnee, der seit Dezember die Stadt zugedeckt hatte, war endlich verschwunden. Unten auf den Straßen flatterten die Tauben hoch. Auf dem Planeten lebten dreißig Milliarden Menschen, aber die Tauben würden immer die Mehrheit bilden.
    »Die Wichser sind alle Männer«, sagte sie.
    »Verzeihung?«, sagte Soren.
    »Die Generäle. Sie sind alle verdammte Männer.«
    »Ja, natürlich, aber …«
    »Ich meine, die verdammten Kerle sind allesamt Männer. Wie lange ist es her, dass eine Frau die bewaffneten Streitkräfte geleitet hat? Seit ich hier bin, war es noch nie der Fall. Und so geben sie uns dann wieder einmal ein Beispiel dafür, wie die Politik aussieht, wenn zu viel Testosteron im Raum ist. Da fällt mir gerade ein – setzen Sie sich mit Annette Rabbir von der Abteilung für Infrastruktur in Verbindung. Ich traue Nguyen nicht. Wenn zwischen ihm und irgendjemandem in der Generalversammlung der Datenverkehr stark zunimmt, will ich es erfahren.«
    Soren räusperte sich.
    »Verzeihung, Madam. Haben Sie mir gerade die Anweisung gegeben, Admiral Nguyen auszuspionieren?«
    »Nein. Ich habe Sie um eine umfassende Einschätzung der Leistungsfähigkeit unseres Netzwerks gebeten, und dabei sind mir alle Resultate abgesehen von Nguyens Büro egal.«
    »Selbstverständlich, Madam. Entschuldigen Sie meinen Irrtum.«
    Die Aufzugkabine verließ den Bereich der Fenster und den Ausblick über die Stadt und fuhr auf der Ebene der Privatbüros in den dunklen Schacht hinein. Avasarala knackte mit den Knöcheln.
    »Aber für alle Fälle sollten Sie es auf eigene Verantwortung tun.«
    »Ja, Madam, daran dachte ich auch schon.«
    Wer Avasarala nur flüchtig kannte, hätte ihr Büro für täuschend unauffällig gehalten. Es lag auf der Ostseite des Gebäudes, wo gewöhnlich die Karriere der unteren Beamten begann. Ihr Büro überblickte zwar die Stadt, befand sich aber nicht in einer Ecke. Der Videoschirm, der den größten Teil der Südwand einnahm, schaltete sich ab, wenn er nicht benutzt wurde, und zeigte sich als nackte, mattschwarze Fläche. Die übrigen Wände waren mit verkratztem Bambus verkleidet. Der robuste Kurzhaarteppich war gemustert, um Flecken zu verbergen. Der einzige Schmuck waren ein

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