Calibans Krieg
Hals länger wirkte und die schlaffe Haut unter dem Kinn verschwand. Dank langer Übung wirkte die Bewegung natürlich, aber sie konnte beinahe Arjun lachen hören. Ein Laufband am unteren Rand des Bildschirms zeigte ihren Namen und ihren Titel.
»Ich werde mit Kapitän James Holden zum Jupitersystem fliegen«, erklärte Avasarala. »Die Vereinten Nationen der Erde sind der Ansicht, dass eine multilaterale Untersuchung der Vorgänge der beste Weg ist, um das Gleichgewicht der Kräfte herzustellen und den Frieden im System zu gewährleisten.«
Das Bild wechselte zu Holden und Avasarala, die mit dem Botaniker in der Messe saßen. Dieses Mal redete der kleine Wissenschaftler, während sie und Holden so taten, als hörten sie zu. Aus dem Off berichtete Naomi.
»Praxidike Meng sucht nach wie vor seine kleine Tochter, die zum menschlichen Antlitz der Tragödie auf Ganymed geworden ist. Hinsichtlich der Anschuldigungen, die gegen ihn erhoben wurden, ist die Haltung der irdischen Delegation völlig eindeutig.«
Avasarala erschien wieder, machte dieses Mal ein bekümmertes Gesicht und schüttelte leicht den Kopf, als könne sie es nicht fassen.
»Nicola Mulko kann man nur als tragische Gestalt betrachten. Ich persönlich verurteile die Verantwortungslosigkeit der Nachrichtenfeeds, die die Behauptungen eines seelisch kranken Menschen so verbreiten, als handelte es sich um erwiesene Tatsachen. Es steht außer Zweifel, dass sie ihren Ehemann und ihr Kind verlassen hat. Die Diskussion ihrer psychischen Probleme muss jedoch auf einer würdigen und vor allem privaten Ebene stattfinden.«
Damit endete die Aufzeichnung.
»Gut«, sagte Avasarala. »Hat noch jemand Fragen?«
»Ich arbeite nicht mehr für die AAP«, wandte Holden ein.
»Ich bin nicht autorisiert, für das marsianische Militär zu sprechen«, sagte Bobbie. »Ich bin nicht einmal sicher, ob ich überhaupt noch mit Ihnen zusammenarbeiten darf.«
»Danke für Ihre Kommentare. Gibt es noch etwas Wichtiges anzumerken?«, fragte Avasarala. Die anderen schwiegen.
»Für mich geht das so in Ordnung«, erklärte Praxidike Meng schließlich.
In einer Hinsicht war die Rosinante unendlich großzügiger als die Guanshiyin , und dies war der einzige Punkt, auf den es ihr wirklich ankam. Der Richtstrahl gehörte ihr. Die Zeitverzögerung war übel, und sie entfernte sich mit jeder Stunde weiter von der Erde, aber da sie andererseits wusste, dass die Nachrichten, die sie abschickte, nicht sofort bei Nguyen und Errinwright landen würden, hatte sie das Gefühl, endlich wieder frei atmen zu können. Was geschah, sobald die Botschaften die Erde erreichten, konnte sie natürlich nicht mehr kontrollieren, aber so war es immer, so funktionierte das Spiel.
Admiral Souther wirkte müde, viel mehr als dies konnte man auf dem kleinen Bildschirm nicht erkennen.
»Chrisjen, Sie haben in ein Wespennest gestochen«, begann er. »Es sieht sehr danach aus, als hätten Sie sich gerade vor einige Leute gestellt, die nicht für uns arbeiten. Ich vermute, genau das war auch Ihre Absicht. Ich habe getan, worum Sie mich gebeten haben. Nguyen hat sich tatsächlich mit Jules-Pierre Mao getroffen, erstmalig kurz nach dessen Aussage zu Protogen. Errinwright war informiert, aber das heißt nicht viel. Ich habe mich auch selbst mit Mao getroffen. Er ist eine Schlange, aber wenn Sie sich nicht mehr mit Männern wie ihm abgeben, können Sie nicht viel erreichen. Die Schmierenkampagne gegen Ihren Freund, den Wissenschaftler, ging tatsächlich von der Regierung aus. Ich muss ehrlich sagen, das macht einige hier drüben in den bewaffneten Streitkräften ziemlich nervös. Es sieht aus, als gäbe es in der politischen Führung verschiedene Fraktionen, und auf einmal ist nicht mehr ganz klar, wessen Befehle wir überhaupt noch befolgen sollen. Wenn es eng wird, bekleidet unser Freund Errinwright immer noch einen höheren Rang als Sie. Wenn er oder der Generalsekretär mir einen direkten Befehl erteilen, muss ich schon einen sehr guten Grund finden, um die Anweisung für illegal zu halten. Die ganze Sache stinkt erbärmlich, aber bisher erkenne ich diesen Grund noch nicht. Sie wissen, was ich meine.«
Damit endete die Aufnahme. Avasarala legte sich die Finger an die Lippen. Natürlich verstand sie es. Es gefiel ihr nicht, aber sie begriff es. Sie drückte sich von der Liege hoch. Nach dem Wettrennen zur Rosinante taten ihr immer noch alle Knochen weh, und wenn sich das Schiff unter ihr bewegte, wenn sich
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