Calibans Krieg
herausstellt, dass die UN-Leute für die falsche Seite arbeiten.«
»Das ist gar keine schlechte Idee.«
»Wie wäre es mit Fred?«
»Nein«, wehrte Holden lachend ab. »Fred würde versuchen, politisches Kapital daraus zu schlagen. Er würde die Daten als Verhandlungsmasse einsetzen. Es muss jemand sein, der nichts zu gewinnen oder verlieren hat, wenn er es benutzt. Ich denke mal darüber nach.«
Naomi stand auf, kam zu ihm und setzte sich rittlings auf seinen Schoß, um ihn scharf anzusehen. »Außerdem werden wir bald sterben. Das macht es nicht leichter.«
Nicht alle.
»Naomi, rufe die Crew zusammen, auch die Marinesoldatin und Avasarala. Am besten in die Messe. Ich muss noch ein paar letzte Erklärungen abgeben. Wir treffen uns in zehn Minuten.«
Sie küsste ihn leicht auf die Nase. »In Ordnung. Bis gleich.«
Als sie auf der Leiter verschwunden war, öffnete Holden den Spind des Wachhabenden. Darin lagen mehrere uralte Verschlüsselungstabellen, ein Handbuch des marsianischen Militärrechts, eine Handfeuerwaffe und zwei Magazine mit Gelpatronen. Er nahm die Waffe, lud sie und legte Gürtel und Halfter an.
Dann kehrte er zur Com-Station zurück und bereitete eine Richtstrahlübertragung für Avasaralas Datei vor. Die Sendung würde ausschließlich über öffentliche Router von Ceres zum Mars, dann nach Luna und schließlich zur Erde geleitet werden. Das würde wohl kaum irgendwo einen Alarm auslösen. Er drückte auf die Aufnahmetaste und sagte: »Hallo, Mom. Schau dir das mal an, und zeig es allen anderen. Ich habe keine Ahnung, wie du herausfinden wirst, wann der richtige Augenblick ist, es einzusetzen, aber wenn der Augenblick kommt, dann mach damit, was immer dir am besten erscheint. Ich vertraue euch allen, und ich liebe euch.«
Ehe er noch etwas sagen oder sich die Sache anders überlegen konnte, drückte er auf den Sendeknopf und schaltete die Konsole ab.
Dann rief er den Aufzug, weil die Fahrt länger dauern würde, als einfach auf der Leiter entlangzuklettern. Er brauchte etwas Zeit, um sich zu überlegen, wie er weiter vorgehen wollte. Als er das Mannschaftsdeck erreichte, hatte er sich immer noch nicht alles zurechtgelegt, hob aber trotzdem entschlossen die Schultern und marschierte in die Messe.
Amos, Alex und Naomi saßen auf einer Seite des Tischs und blickten ihn an. Prax hockte wie üblich auf der Anrichte. Bobbie und Avasarala hatten sich seitlich niedergelassen, damit sie ihn sehen konnten. Dadurch war die Marinesoldatin nur noch zwei Meter von ihm entfernt, und zwischen ihr und ihm war nichts mehr. Je nachdem, wie es lief, konnte sich das als Problem erweisen.
Er legte die Hand auf den Griff der Waffe an der Hüfte und vergewisserte sich, dass alle es gesehen hatten. »Uns bleiben noch zwei Tage, bevor die Einheiten der UN-Raummarine nahe genug sind, um unsere Abwehr mit einer Torpedosalve zu durchbrechen und dieses Schiff zu zerstören.«
Alex nickte, aber niemand sagte etwas.
»Allerdings ist die Rennpinasse von Mao, mit der Avasarala zu uns gekommen ist, noch mit unserem Schiff gekoppelt. Dort passen zwei Passagiere hinein. Wir werden zwei Leute hineinsetzen und wegschicken. Dann wenden wir und halten direkt auf die UN-Schiffe zu, um der Pinasse etwas Zeit zu erkaufen. Wer weiß, vielleicht nehmen wir sogar einen Gegner mit, damit wir im nächsten Leben ein paar Diener haben.«
»Zur Hölle mit ihnen«, schimpfte Amos.
»Dem kann ich mich anschließen«, stimmte Avasarala zu. »Wer sind die beiden Glücklichen? Und wie hindern wir die UN-Schiffe daran, nach diesem Schiff hier auch die Pinasse zu erledigen?«
»Prax und Naomi«, sagte Holden sofort, ehe jemand anders das Wort ergreifen konnte. »Prax und Naomi fliegen mit der Pinasse.«
»In Ordnung.« Amos nickte.
»Warum?«, fragten Naomi und Avasarala im gleichen Augenblick.
»Prax, weil er das Gesicht der ganzen Angelegenheit ist. Er ist der Mann, der sich alles zusammengereimt hat. Außerdem, wenn irgend jemand schließlich seine kleine Tochter rettet, wäre es gut, wenn ihr Daddy zur Stelle wäre«, erklärte Holden. Er trommelte mit den Fingern auf den Griff der Waffe. »Und Naomi, weil ich es gesagt habe. Fragen?«
»Nein«, antwortete Alex. »Klingt gut.«
Holden beobachtete die Marinesoldatin genau. Falls jemand versuchen sollte, ihm die Waffe wegzunehmen, würde sie es sein. Außerdem arbeitete sie für Avasarala. Wenn die alte Dame beschloss, auf der Razorback mitzufliegen, würde Bobbie versuchen, dies
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