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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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kleiner Schrein mit einer Tonfigur von Gautama Buddha neben dem Schreibtisch und eine Kristallvase mit den Blumen, die ihr Mann Arjun ihr jeden Donnerstag schickte. Der Raum roch nach frischen Blüten und altem Pfeifenrauch, obwohl Avasarala nie dort geraucht hatte und auch niemanden kannte, der es je getan hatte. Sie trat ans Fenster. Unter ihr breitete sich die Stadt aus Beton und altem Stein aus.
    Am dunkelnden Himmel brannte die Venus.
    In den zwölf Jahren, seit sie in diesem Raum am Schreibtisch saß, hatte sich alles verändert. Die Allianz zwischen der Erde und dem herangewachsenen Bruder war für die Ewigkeit geschmiedet worden. Der Gürtel war ein Ärgernis und eine Zuflucht für winzige Zellen von Abtrünnigen und Unruhestiftern gewesen, die häufig auf einem versagenden Schiff den Tod fanden, ehe sie überhaupt vor Gericht gestellt werden konnten. Die Menschheit war allein im Universum gewesen.
    Dann die geheim gehaltene Entdeckung, dass Phoebe, dieser eigenwillige Saturnmond, eine Waffe war, die irgendwelche Aliens auf die Erde losgelassen hatten, als das Leben dort kaum mehr als eine interessante Idee in einer Lipid-Doppelschicht gewesen war. Danach war die Welt nicht mehr die alte gewesen.
    Aber irgendwie war sie es trotzdem noch. Erde und Mars hatten sich noch nicht entschieden, ob sie ewige Verbündete oder Todfeinde sein wollten. Die AAP, die Hisbollah des Vakuums, entwickelte sich zwischen den äußeren Planeten zu einer echten politischen Macht. Das Ding, das die primitive Biosphäre der Erde umformen sollte, hatte einen Asteroiden gekapert und war in die Wolken der Venus gestürzt, um dort wer weiß was anzustellen.
    Aber immer noch wurde es Frühling, und die Legislaturperioden kamen und gingen. Der Abendstern stand am indigofarbenen Himmel und überstrahlte sogar die größten Städte auf der Erde.
    An manchen Tagen fand sie es beinahe beruhigend.
    »Mister Errinwright«, erinnerte Soren sie.
    Avasarala drehte sich zu dem Wandbildschirm um, der gerade zum Leben erwachte. Sadavir Errinwright hatte eine noch dunklere Haut als sie und ein rundes, weiches Gesicht. Er wäre im Punjab kaum aufgefallen, sprach aber mit der kühlen, analytischen Belustigung eines Briten. Er trug einen dunklen Anzug und einen eleganten schmalen Schlips. Wo er sich auch aufhielt – hinter ihm herrschte helles Tageslicht. Die Helligkeit schwankte stark, während die Elektronik versuchte, die Kontraste auszusteuern. Einmal war er ein Schatten in einem Regierungsbüro, dann ein von einer Halo umgebener Mann.
    »Ich hoffe, die Sitzung ist gut verlaufen?«
    »Recht gut«, berichtete sie. »Der Gipfel mit den Marsianern kann bald stattfinden. Sie arbeiten jetzt die Sicherheitsmaßnahmen aus.«
    »War das denn der Konsens?«
    »Ja, sobald ich ihnen gesagt habe, dass er es ist. Die Marsianer schicken ihre Spitzenleute zu einem Treffen mit Vertretern der UN, um sich persönlich zu entschuldigen und darüber zu reden, wie wir die Beziehungen normalisieren können, damit Ganymed wieder – blabla, blabla.«
    Errinwright kratzte sich am Kinn.
    »Ich bin nicht sicher, ob unsere Verhandlungspartner auf dem Mars die Sache ähnlich sehen«, erwiderte er.
    »Sie können ja protestieren. Wir geben widersprüchliche Presseerklärungen heraus und drohen bis zur letzten Minute, die Konferenz abzusagen. Etwas Spannung und Drama kann nicht schaden. Das ist noch besser als eine wundervolle Lösung, weil es so schön ablenkt. Alles, damit der Klopskopf nicht über Venus oder Eros redet.«
    Er zuckte fast unmerklich zusammen.
    »Könnten wir bitte darauf verzichten, den Generalsekretär als Klopskopf zu bezeichnen?«
    »Warum denn? Er weiß doch, wie ich ihn nenne. Ich sage es ihm sogar ins Gesicht, und es stört ihn nicht.«
    »Er glaubt, Sie scherzen.«
    »Das liegt nur daran, dass er ein Klopskopf ist. Lassen Sie ihn nicht über die Venus reden.«
    »Und die Aufnahmen?«
    Das war eine berechtigte Frage. Was auch immer auf Ganymed angegriffen hatte, es hatte im Bereich der Vereinten Nationen begonnen. Wenn man den Gerüchten trauen konnte – was aber meist nicht empfehlenswert war –, dann besaß Mars die Aufzeichnungen einer einzigen Anzugkamera. Avasarala besaß sieben Minuten hochauflösendes Videomaterial von vierzig verschiedenen Kameras, auf denen man sehen konnte, wie das Ding die besten Kämpfer der Erde abschlachtete. Selbst wenn man die Marsianer überreden konnte, die Sache unter den Tisch zu kehren, war die Angelegenheit nur

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