Calibans Krieg

herein«, meinte Alex. »Naomi? Siehst du es auch?«
    »Entschuldige. Moment noch.«
    »Was hast du, Alex?«, fragte Holden.
    »Die Aktivität des Reaktors ist gesunken. Innere Strahlung im Schiff ist sehr hoch. Es ist, als hätten sie den Reaktor mit der Luftversorgung verbunden.«
    »Das ist aber nicht gesund«, kommentierte Amos.
    Auf dem Operationsdeck herrschte Stille. Avasarala wollte wieder einen Kanal zu Souther öffnen, hielt sich aber zurück. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Stimme, die über den Schiffskanal zu hören war, klang schleppend und benommen. Zuerst erkannte sie Prax nicht. Er musste es zweimal wiederholen, ehe sie die Worte verstehen konnte.
    »Inkubationsraum«, erklärte Prax. »Sie verwandeln das Schiff in eine Inkubationskammer. Genau wie auf Eros.«
    »Weiß es denn, wie es das anstellen muss?«, staunte Bobbie.
    »Es scheint so«, antwortete Naomi.
    »Wir müssen das Ding zu Schlacke verglühen«, schlug Bobbie vor. »Haben wir genug Feuerkraft dafür?«
    Avasarala öffnete wieder die Augen. Sie versuchte, neben ihrer großen, ungeheuren Sorge noch ein anderes Gefühl zu entdecken. Irgendwo musste es doch Hoffnung geben. Sogar Pandora hatte Hoffnung gehabt.
    Holden sprach aus, was sie dachte.
    »Selbst wenn das der Fall wäre, es würde den Mars nicht retten.«
    »Vielleicht, wenn wir sie alle erwischen?«, überlegte Alex. »Ich meine, es waren ziemlich viele, aber vielleicht … wenn wir sie abschießen?«
    »Auf einer antriebslosen Flugbahn sind die Monster schwer zu entdecken«, erklärte Bobbie. »Wenn wir auch nur eines verpassen, und es kommt zum Mars durch …«
    Alles zerrann ihr zwischen den Fingern. Sie waren so nahe daran, es aufzuhalten, und waren letzten Endes doch gescheitert. Avasarala hatte einen dicken Klotz im Bauch. Aber sie hatte nicht versagt. Noch nicht. Irgendwo in diesem Durcheinander musste es doch einen Ausweg geben. Etwas, das sie auch jetzt noch tun konnten.
    Sie leitete den letzten Wortwechsel mit Nguyen an Souther weiter. Vielleicht hatte der Admiral eine Idee. Eine Geheimwaffe, die aus dem Nichts kam und die Codes herausfand. Vielleicht konnte auch die große Bruderschaft des Militärs in Nguyen noch etwas Menschlichkeit wecken.
    Zehn Minuten später löste sich eine Rettungskapsel aus der King . Souther nahm nicht einmal Kontakt mit ihr auf, ehe er sie abschoss. Das Operationsdeck war nun eine Trauergemeinde.
    »Na gut«, sagte Holden. »Eins nach dem anderen. Wir müssen zum Stützpunkt runter. Wenn Mei dort ist, müssen wir sie herausholen.«
    »Ich bin dabei«, entschied Amos. »Und den Doc müssen wir auch mitnehmen. Das will er sich bestimmt nicht entgehen lassen.«
    »Ich denke es mir so«, fuhr Holden fort. »Ihr fliegt mit der Rosinante hinunter zur Oberfläche.«
    »Wir?«, fragte Naomi.
    »Ich fliege unterdessen mit der Pinasse zum Schlachtschiff«, erklärte Holden. »Die Transpondercodes müssen im Gefechtscomputer sein.«
    »Sie?«, fragte Avasarala.
    »Nur zwei Menschen sind von Eros entkommen«, entgegnete Holden achselzuckend. »Ich bin derjenige, der noch übrig ist.«

49 Holden
    »Mach das nicht.« Naomi bettelte und weinte nicht, sie verlangte nichts. Die Kraft ihrer Bitte lag in den einfachen Worten: »Mach das nicht.«
    Holden öffnete den Spind mit den Anzügen vor der Hauptluftschleuse und griff nach der auf dem Mars hergestellten Rüstung. Auf einmal durchfuhr ihn eine böse Erinnerung an die Strahlenkrankheit auf Eros. »Sie leiten jetzt seit Stunden die Strahlung in die King hinein, oder?«
    »Geh nicht da rüber«, sagte Naomi noch einmal.
    Holden schaltete den Com ein. »Bobbie.«
    »Hier«, erwiderte die junge Frau grunzend. Sie half gerade Amos, die Ausrüstung für den Angriff auf die Mao-Forschungsstation vorzubereiten. Nach der bisher einzigen Begegnung mit dem Protomolekül-Hybriden nahmen sie die schwersten Waffen mit, die sie hatten.
    »Welchen Strahlenschutz haben die normalen marsianischen Rüstungen?«
    »Wie meine?«, fragte Bobbie zurück.
    »Nein, nicht die motorgetriebenen Anzüge. Ihrer soll ja auch vor Explosionen in nächster Nähe schützen. Ich meine das Zeug, das wir aus der MAG-Kiste entnommen haben.«
    »Ungefähr so viel wie ein normaler Raumanzug. Es reicht für kurze Außenbordeinsätze, aber nicht für einen längeren Aufenthalt in stark verstrahltem Gelände.«
    »Verdammt«, sagte Holden. »Danke.« Er schaltete den Com ab und schloss den Spind. »Ich brauche einen Strahlenschutzanzug,