Calibans Krieg

aber das bedeutet, dass ich besser gegen Strahlung und überhaupt nicht gegen Kugeln geschützt bin.«
    »Wie oft kannst du dich eigentlich noch stark verstrahlen lassen und ungeschoren davonkommen?«, fragte Naomi.
    »Die Antwort ist die gleiche wie bei der letzten Gelegenheit: wenigstens noch ein weiteres Mal«, antwortete Holden grinsend. Naomi erwiderte sein Lächeln nicht. Er aktivierte erneut den Com. »Amos, bring mir einen Strahlenschutzanzug vom Maschinendeck. Das Stärkste, was wir an Bord haben.«
    »In Ordnung«, antwortete der Mechaniker.
    Holden öffnete seinen Geräteschrank und holte das Sturmgewehr heraus, das er dort aufbewahrte. Es war groß und schwarz und sollte wohl einschüchternd wirken. Mit so einem Ding in der Hand wurde er sofort als Bedrohung eingestuft. Er steckte es wieder weg und entschied sich für eine Pistole. Der Strahlenschutzanzug verlieh ihm eine gewisse Anonymität. So etwas konnte jeder Angehörige eines Reparaturtrupps im Notfall anlegen. Wenn er nur eine Dienstpistole an der Hüfte trug, galt er möglicherweise nicht sofort als Teil des Problems.
    Da das Protomolekül auf der King ausgebrochen war und das Schiff verstrahlt wurde, gab es dort sogar ein großes Problem.
    Wenn Prax und Avasarala richtig lagen und das Protomolekül auch ohne physische Verbindung Informationen übermitteln konnte, dann war dem Eindringling auf der King alles bekannt, was das Zeug auf der Venus erfahren hatte. Seit es die Arboghast zerlegt hatte, wusste es beispielsweise, wie menschliche Raumschiffe konstruiert waren. Außerdem war es inzwischen bestens darüber informiert, wie man Menschen in Kotzzombies verwandelte. Diesen Trick hatte es eine Million Mal oder öfter auf Eros vorgeführt. Es hatte Übung.
    Gut möglich, dass sich inzwischen jeder Mensch auf der King in einen Kotzzombie verwandelt hatte. Leider war das zugleich auch das günstigste Szenario. Die Kotzzombies waren für jeden, dessen Haut ungeschützt war, der wandelnde Tod, aber für Holden in seinem versiegelten, vakuumtauglichen Strahlenschutzanzug waren sie höchstens etwas lästig.
    Der schlimmste Fall wäre der, dass das Protomolekül die Verwandlung von Menschen inzwischen so gut beherrschte, dass das Schiff voller tödlicher Hybriden war, die jenem glichen, den sie im Frachtraum entdeckt hatten. Das wäre eine unhaltbare Situation, also beschloss er lieber, sie sei nicht eingetreten. Außerdem hatte das Protomolekül auf Eros keine Soldaten ausgebildet. Miller hatte sich nicht die Zeit genommen zu beschreiben, worauf er dort gestoßen war, aber er hatte auf der Station viel Zeit mit der Suche nach Julie verbracht und nie berichtet, dass ihn irgendetwas angegriffen hätte. Das Protomolekül selbst war ungeheuer aggressiv und invasiv. Binnen Stunden konnte es eine Million Menschen töten und in Ersatzteile für das verwandeln, was es eben gerade herstellen wollte. Doch diese Invasion fand auf der Zellebene statt. Es verhielt sich wie ein Virus, nicht wie eine Armee.
    Rede dir das nur ein, dachte Holden. Nur so erschien das, was er tun wollte, überhaupt möglich.
    Er nahm eine kompakte Halbautomatik und das Halfter aus dem Spind. Naomi sah ihm zu, während er die Waffe lud und drei Reservemagazine füllte, sagte aber kein Wort. Er hatte gerade die letzte Patrone in das letzte Magazin geschoben, da schwebte Amos herein und zerrte einen großen roten Anzug hinter sich her.
    »Das ist der beste, den wir haben, Käpt’n«, erklärte der Mechaniker. »Der ist für die Fälle gedacht, wenn wirklich was in die Hose geht. Er sollte für die Strahlung im Schiff problemlos reichen. Maximale Tragzeit sechs Stunden, aber da der Luftvorrat nur für zwei Stunden reicht, ist das kein Thema.«
    Holden untersuchte den unförmigen Anzug. Die Oberfläche bestand aus einer dicken, biegsamen Substanz, die an Gummi erinnerte. Einen Angreifer, der nur die Fingernägel oder die Zähne benutzte, konnte der Anzug abhalten, aber kein Messer und erst recht keine Kugel. Der Luftvorrat befand sich unter der strahlenabweisenden Außenhaut und bildete auf dem Rücken des Trägers einen dicken, unbequemen Höcker. Die Mühe, die er damit hatte, den Anzug an sich zu ziehen und dann abzubremsen, verriet ihm, dass er eine beträchtliche Masse besaß.
    »Damit kann ich mich wohl nicht sehr schnell bewegen, was?«
    »Nein.« Amos schnitt eine Grimasse. »Die sind nicht für den Nahkampf konstruiert. Wenn die Kugeln fliegen, bist du im Eimer.«
    Naomi nickte, sagte