Calibans Krieg
Siehst du?«
»Weißt du überhaupt, wovon ich rede?«
»Ganz allgemein? Nein. Aber Maxwell Asinnian-Koh hat gerade einen Aufsatz über die Post-Lyrik veröffentlicht, der ihm jede Menge hasserfüllte Kritiken einbringen wird.«
Avasarala kicherte.
»Du lebst in einer ganz eigenen Welt, mein Lieber.«
»Und ob«, bestätigte Arjun. Er fuhr mit dem Daumen über das Handterminal. Dann blickte er auf. »Es macht dir doch nichts aus, oder?«
»Deshalb liebe ich dich. Bleib nur hier, und lies deine Post-Lyrik.«
»Was willst du denn tun?«
»Das Gleiche wie immer. Ich versuche, die Zivilisation davor zu bewahren, sich selbst in die Luft zu jagen, solange es noch Kinder gibt.«
In ihrer Jugend hatte ihre Mutter versucht, ihr das Stricken beizubringen. Die Bemühungen hatten sich als fruchtlos erwiesen, doch einige andere Lektionen waren haften geblieben. Einmal hatte sich die Wolle stark verheddert, und Avasarala hatte heftig daran gerissen und alles nur noch schlimmer gemacht. Ihre Mutter hatte ihr den festgezurrten Klumpen abgenommen, ihn jedoch nicht selbst in Ordnung gebracht, sondern ihr zurückgegeben, sich im Schneidersitz neben ihr auf den Boden gehockt und ihr erklärt, wie man einen Knoten auflösen musste. Die Mutter war sanft, zielstrebig und geduldig gewesen und hatte nach Stellen gesucht, wo in dem Knäuel noch ein wenig Spielraum war, bis sich der Knoten scheinbar wie von selbst gelöst hatte.
Auf der Liste standen zehn Schiffe aller Typen – von einem alten Transporter, der schon längst hätte verschrottet werden müssen, bis zu zwei Fregatten unter dem Kommando von Offizieren, deren Namen sie schon einmal gehört hatte. Eine große Streitmacht war es nicht, aber genug, um zu provozieren. Sanft, zielstrebig, geduldig. Avasarala nahm den Knoten auseinander.
Als Erstes das Transportschiff, weil es das Einfachste war. Schon seit Jahren hielt sie sich die Leute in der Wartungs- und Sicherheitsabteilung warm. Es dauerte vier Stunden, bis jemand in den richtigen Risszeichnungen und Logdateien einen Bolzen gefunden hatte, der nicht planmäßig ersetzt worden war, und weniger als eine halbe Stunde, um einen Rückruf zu senden. Die Wu Tsao – die besser bewaffnete der beiden Fregatten – stand unter dem Befehl von Golla Ishigawa-Marx. Seine Personalakte war makellos, er hatte gute Arbeit geleistet und war ein kompetenter, wenngleich fantasieloser und stets loyaler Untergebener. Nach drei Gesprächen war seine Beförderung zum Flottenausschuss, wo er wahrscheinlich keinen großen Schaden anrichten konnte, beschlossene Sache. Natürlich mussten er und alle höheren Offiziere der Wu-Tsao sofort die Erde ansteuern, um strammzustehen, während man ihm die neuen Plaketten an die Uniform heftete. Die zweite Fregatte war schwieriger, doch auch dafür fand sie einen Weg. Inzwischen war der Konvoi so weit reduziert, dass das Klinik- und Versorgungsschiff viel zu groß für die verbliebenen Einheiten war.
So löste sich der Knoten in ihren Fingern auf. Die drei Schiffe, die sie nicht umdirigieren konnte, waren alt und viel zu schwach. Im Falle eines Kampfes würden sie keine Rolle spielen. Deshalb würden die Marsianer auch nur auf sie reagieren, wenn sie einen Vorwand suchten.
Avasarala war der Ansicht, dass sie schweigen würden, und falls sie sich irrte, wäre auch dies interessant.
»Wird Admiral Nguyen es nicht durchschauen?«, fragte Errinwright. Er befand sich irgendwo auf der anderen Seite des Planeten in einem Hotelzimmer und trug Abendgarderobe. Bei ihm war es Nacht, wie man durch das Fenster sah, und der oberste Hemdknopf war geöffnet.
»Soll er doch«, antwortete Avasarala. »Was kann er schon tun? Sich bei seiner Mama ausheulen, weil ich ihm das Spielzeug weggenommen habe? Wenn er nicht mit den großen Kindern mithalten kann, dann sollte er kein verdammter Admiral sein.«
Errinwright lächelte und knackte mit den Fingerknöcheln. Er wirkte müde.
»Und die Schiffe, die weiterfliegen werden?«
»Es sind die Bernadette Koe , die Aristophanes und die Feodorowna , Sir.«
»Ja, genau die. Was wollen Sie den Marsianern in Bezug auf diese Schiffe sagen?«
»Nichts, wenn sie es nicht selbst zur Sprache bringen. Falls sie darauf zu sprechen kommen, kann ich es abwimmeln. Ein kleines medizinisches Schiff, ein Transporter und ein uraltes Kanonenboot, um die Piraten abzuschrecken. Ich meine, wir schicken ja nicht gerade ein paar Kreuzer hin, also können sie mich mal.«
»Ich hoffe, Sie werden sich
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