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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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etwas zurückhaltender ausdrücken.«
    »Gewiss, Sir. Ich bin nicht dumm.«
    »Und Venus?«
    Sie holte tief Luft und schnaufte mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Das ist ein verdammter Butzemann«, sagte sie. »Jeden Tag bekomme ich Berichte herein, aber wir wissen nicht einmal, was wir da betrachten. Das Netzwerk, das dieses Ding auf dem Planeten gebaut hat, ist fertig, und jetzt bricht es zusammen, aber in einer komplizierten radialen Symmetrie erscheinen neue Gebäude. Nur dass dies alles nicht an der Rotationsachse, sondern vielmehr an der Ebene der Ekliptik ausgerichtet ist. Was dort unten auch passiert, es orientiert sich am gesamten Sonnensystem. Und die spektrografische Analyse zeigt eine Zunahme an Lanthanoxid und Gold.«
    »Ich weiß nicht, was das bedeutet.«
    »Das weiß niemand, aber die klugen Köpfe sind der Ansicht, es könnte sich um Supraleiter mit sehr hoher Temperatur handeln. Unsere Leute versuchen die Kristallstrukturen im Labor zu replizieren und haben einige Dinge entdeckt, die sie nicht einordnen können. Das Ding da unten versteht mehr von Chemie als wir, aber das wussten wir ja im Grunde schon.«
    »Gibt es eine Verbindung zu Ganymed?«
    »Nur einen Hinweis«, antwortete Avasarala. »Sonst nichts. Oder wenigstens nicht direkt.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Avasarala runzelte die Stirn und wandte sich ab. Der Buddha erwiderte ihren Blick.
    »Wussten Sie, dass sich die Zahl der Selbstmordkulte seit Eros verdoppelt hat?«, fragte sie. »Ich wusste es auch nicht, bis man mir den Bericht vorgelegt hat. Im letzten Jahr ist der Neubau der Wasseraufbereitung in Kairo beinahe daran gescheitert, dass eine Weltuntergangsgruppe meinte, wir brauchten sie nicht mehr.«
    Errinwright beugte sich mit verkniffener Miene vor.
    »Sehen Sie da einen Zusammenhang?«
    »Ich glaube nicht, dass sich Außerirdische von der Venus bei uns einschleichen«, erwiderte sie. »Aber … ich habe darüber nachgedacht, was mit uns geschehen ist. Mit dem ganzen Sonnensystem. Mit ihnen und uns und den Gürtlern. Es ist nicht gesund, dass wir Gott beim Schlafen zusehen und seine Träume beobachten können. Das macht uns Angst. Mir macht es jedenfalls Angst. Deshalb blicken wir in die andere Richtung und erledigen unseren Kram, als hätte sich das Universum seit unserer Kindheit nicht verändert. Natürlich wissen wir ganz genau, dass dies nicht stimmt. Wir tun so, als wären wir noch bei Trost, aber in Wirklichkeit …«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Die Menschheit lebt seit jeher mit dem Unerklärlichen«, entgegnete Errinwright mit harter Stimme. Sie hatte ihn verunsichert. Nun ja, da ging es ihm wie ihr selbst.
    »Das Unerklärliche hat bisher noch keine Planeten verspeist«, gab sie zurück. »Selbst wenn das Ding auf Ganymed nicht mit eigener Kraft von der Venus herübergeflogen ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es eine Verbindung gibt. Falls wir es aber selbst getan haben …«
    »Falls wir es gebaut haben, dann heißt das, wir haben eine neue Technologie entdeckt und benutzen sie«, erklärte Errinwright. »Von Speerspitzen aus Feuerstein über Schießpulver zu Nuklearsprengköpfen. So läuft das eben, Chrisjen. Lassen Sie das meine Sorge sein. Sie behalten einstweilen die Venus im Auge und kümmern sich darum, dass die Situation mit den Marsianern nicht außer Kontrolle gerät.«
    »Ja, Sir«, sagte sie.
    »Es wird schon alles gut werden.«
    Als sie auf den leeren Bildschirm blickte, auf dem sie gerade noch ihren Vorgesetzten gesehen hatte, war sie der Meinung, dass er es tatsächlich selbst glaubte. Sie dagegen war überhaupt nicht mehr sicher. Irgendetwas beunruhigte sie, auch wenn sie es noch nicht ganz packen konnte. Es war wie ein bohrender Schmerz im Hinterkopf, wie ein Splitter unter dem Fingernagel. Sie rief das Video vom UN-Vorposten auf Ganymed auf, ließ die vorgeschriebenen Sicherheitsabfragen über sich ergehen und sah wieder einmal den Marinesoldaten beim Sterben zu.
    Kiki und Suri würden in einer Welt aufwachsen, in der dies die Vergangenheit war. Für sie würde die Kolonie dieses fremden, unkommunikativen und unerbittlichen Etwas ein Teil ihrer Welt sein. Die Angst, die dies mit sich brachte, würden sie als normal empfinden. Etwas, über das sie so wenig nachdachten wie über den eigenen Atem. Auf dem Bildschirm feuerte ein Mann, der nicht älter war als Soren, ein ganzes Magazin seines Sturmgewehrs auf den Angreifer ab. Die Vergrößerungen zeigten Dutzende Treffer, die einfach

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