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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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und trennte die Verbindung.
    Sie legte sich die Finger an die Lippen und beugte sich über den Schreibtisch. Etwas war passiert. Etwas hatte sich verändert. Entweder hatte Errinwright genügend Berichte über die Venus gelesen, um von ganz allein kribbelig zu werden, oder jemand wollte sie von den Verhandlungen mit den Marsianern abziehen. Jemand mit genug Einfluss bei Errinwright, um sie mit einem Tritt aus dem Weg zu räumen. Ob Nguyen so mächtige Gönner hatte?
    Nun hatte sie bekommen, was sie wollte. Nach allem, was sie von sich gegeben hatte – und sie hatte es völlig ernst gemeint –, konnte sie diesen Auftrag nicht ablehnen, doch der Erfolg hinterließ einen bitteren Nachgeschmack. Vielleicht deutete sie auch zu viel hinein. Bei Gott, sie hatte nicht genug geschlafen, und die Übermüdung erzeugte Paranoia. Sie sah auf die Uhr. Zehn Uhr am Abend. An diesem Abend würde sie es nicht schaffen, zu Arjun nach Hause zu fahren. Schon wieder ein Morgen in den deprimierenden VIP-Unterkünften, wo sie dünnen Kaffee trinken und so tun musste, als sei ihr wichtig, was der neue Botschafter der Autonomen Zone Pashwir über Tanzmusik dachte.
    Leckt mich doch alle mal, dachte sie. Ich brauch jetzt einen Drink.
    Die Dasihari Lounge versorgte alle Elemente des komplexen Organismus, den die Vereinten Nationen darstellten. An der Bar lehnten sich junge Boten und Büroangestellte ins Licht, lachten zu laut und taten so, als seien sie viel wichtiger, als es ihrer Position entsprach. Es war ein Paarungstanz, nur geringfügig würdevoller als die Selbstdarstellung eines Mandrills, aber auf eine altmodische Weise rührend. Roberta Draper, die Marinesoldatin, die am Morgen auf den Tisch geschissen hatte, hatte sich unters Volk gemischt. Das Halbliterglas verschwand beinahe in ihrer Pranke, und sie blickte amüsiert in die Runde. Wahrscheinlich war auch Soren hier, oder wenn nicht an diesem Abend, dann an einem anderen. Avasaralas Sohn würde sich vermutlich ebenfalls unter die Gäste mischen, wenn die Dinge anders verlaufen wären.
    Mitten im Raum standen Tische mit eingebauten Terminals, auf denen aus tausend verschiedenen Quellen Informationen eingingen. Sichtschutzplatten hinderten sogar die Bedienungen daran, den Angestellten der mittleren Führungsebene über die Schulter zu blicken, während diese bei der Arbeit ihr Abendessen tranken. Hinten im Raum standen dunkle Holztische in Nischen, die Avasarala erkannten, ehe sie sich setzte. Falls ihr irgendjemand von zu niedrigem Rang zu nahe kam, würde ein diskreter junger Mann mit perfektem Haarschnitt herbeieilen und den Störenfried zu einem anderen Tisch lotsen, an dem weniger wichtige Menschen saßen.
    Avasarala nippte an ihrem Gin Tonic und dachte über die komplizierte Situation nach. Nguyen hatte gewiss nicht genügend Einfluss, um Errinwright auf sie anzusetzen. Ob die Marsianer darum gebeten hatten, dass sie abgezogen wurde? Sie versuchte, sich zu erinnern, zu wem sie wie grob gewesen war, doch ihr fiel nichts ein. Und falls es die Marsianer waren, was wollte sie nun tun?
    Wenn sie an den Verhandlungen mit den Marsianern nicht mehr in offizieller Funktion teilnehmen konnte, dann musste sie eben auf informelle Kanäle zurückgreifen. Avasarala kicherte, ohne selbst den Grund zu wissen. Sie nahm das Glas und tippte auf den Tisch, um ihn wieder freizugeben. Dann ging sie quer durch die Bar. Die Musik bestand aus leisen Arpeggios in einer hypermodernen Tonart und wirkte seltsam beruhigend. Es roch nach Parfüm, das zu teuer war, um es gedankenlos aufzulegen. Als sie sich der Theke näherte, unterbrachen die Gäste ihre Gespräche. Rasche Blicke wechselten zwischen den Quellen jugendlichen Ehrgeizes. Diese alte Schachtel, sagten sie wohl im Geiste. Was will die hier?
    Sie setzte sich neben Draper. Die große Frau suchte ihren Blick, erkannte sie anscheinend und wirkte nicht unfreundlich. Auch wenn sie Avasarala vielleicht nicht kannte, sie wusste doch, was die ältere Frau verkörperte. Die Soldatin war offensichtlich klug und aufmerksam. Und, verdammt, sie war riesig. Keineswegs dick, sondern groß und kräftig.
    »Darf ich Sie einladen, Sergeant?«, fragte Avasarala.
    »Ich habe schon zu viel getrunken«, erwiderte die Marinesoldatin. Einen Moment später fügte sie hinzu: »Na gut.«
    Avasarala zog eine Augenbraue hoch, worauf der Barkeeper der jüngeren Frau wortlos ein neues Glas brachte.
    »Sie haben heute einen starken Eindruck gemacht«, begann Avasarala.
    »Ja,

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