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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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ergriff.
    »Oder sie bombardieren die Station.«
    Die Ganymed-Station war einer der ersten dauerhaft besiedelten Vorposten im Reich der äußeren Planeten. Sie war nicht nur im Hinblick auf ihre eigene Architektur, sondern auch mit Rücksicht auf die weitere Expansion der Menschheit bis in die Dunkelheit am Rand des Sonnensystems auf Dauerhaftigkeit angelegt. Die Möglichkeit einer Katastrophe hatte man schon bei der Konstruktion gleich von Anfang an berücksichtigt. Sie war die sicherste Station im ganzen Jupiter-System. Früher hatte ihr Name Bilder von neugeborenen Kindern und Kuppeln voller Nutzpflanzen heraufbeschworen. Doch in den Monaten nach dem Absturz der Spiegel war sie verfallen.
    Drucktüren, die eigentlich vor dem Verlust der Atmosphäre schützen sollten, waren mit Gewalt aufgestemmt worden, sobald die Hydraulik versagt hatte. Die Notvorräte waren geplündert und wurden nicht ersetzt. Alles von Wert, was man auf dem Schwarzmarkt gegen Lebensmittel oder eine Überfahrt eintauschen konnte, war gestohlen und verkauft. Der langsame, unausweichliche Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur von Ganymed hatte begonnen. Dies hatten auch die radikalsten Katastrophenplanungen nicht vorhersehen können.
    Prax stand in dem öffentlichen Bereich, wo Nicola und er sich bei ihrer ersten Verabredung getroffen hatten. Sie hatten in einer kleinen Dulcería etwas gegessen, Kaffee getrunken und geflirtet. Er konnte sich noch ganz genau an ihr Gesicht und an den Moment erinnern, als ihm fast das Herz stehen geblieben war, weil sie seine Hand genommen hatte. An der Stelle, wo sich die Dulcería befunden hatte, türmten sich zertrümmerte Eisbrocken. Hier liefen ein Dutzend Korridore zusammen, und aus allen Richtungen strömten die Menschen herbei, um zum Raumhafen oder wenigstens tief genug in den Mond zu gelangen, wo das Eis sie abschirmen konnte, oder an irgendeinen anderen Ort, an dem sie sich einreden konnten, sie seien in Sicherheit.
    Die einzige Heimat, die er je gekannt hatte, ging rings um ihn in die Brüche. In den nächsten Stunden würden Tausende Menschen sterben. Prax wusste dies und fand es entsetzlich. Doch Mei war auf dem Schiff gewesen und würde nicht hier sterben. Er musste sie retten, aber nicht hier an diesem Ort. Das machte es erträglich.
    »Alex sagt, es ist da draußen heiß«, berichtete Naomi, als sie durch die Trümmer trotteten. »Wirklich heiß. Er schafft es nicht bis zum Raumhafen.«
    »Die andere Landeplattform«, schlug Prax vor. »Wir könnten dorthin gehen.«
    »Das haben wir auch vor«, erwiderte Holden. »Naomi, gib Alex die Koordinaten des Stützpunkts.«
    »In Ordnung«, bestätigte Naomi. Im gleichen Augenblick hob Amos wie ein Kind im Klassenzimmer die Hand und sagte: »Der Stützpunkt mit dem Protomolekül?«
    »Das ist die einzige geheime Landeplattform, die wir kennen«, antwortete Holden.
    »Ja, schon klar.«
    Holdens Gesicht war grau vor Anstrengung und Angst, als er sich an Prax wandte.
    »Also, Prax. Sie sind von hier. Unsere Rüstungen sind vakuumtauglich, aber wir brauchen auch für Sie und Naomi Schutzanzüge. Wir müssen durch die Hölle gehen, und nicht überall wird normaler Druck herrschen. Ich habe keine Zeit, irgendwo falsch abzubiegen oder lange herumzusuchen. Sie führen uns. Schaffen Sie das?«
    »Ja«, versicherte Prax ihm.
    Es war leicht, die für Notfälle eingelagerten Anzüge zu finden. Sie befanden sich in den mit Warnfarben lackierten Rettungsstationen und waren alltäglich genug, um praktisch keinen Wiederverkaufswert zu haben. In den Hauptgängen und großen Korridoren waren die Lager bereits geleert, doch es war kein Problem, in einen schmalen Seitengang abzubiegen, der in einen weniger belebten Bereich führte, wo Prax mit Mei früher eine Eislaufbahn besucht hatte. Die Anzüge waren orange und grün gefärbt, damit die Rettungsmannschaften sie gut erkennen konnten. Tarnfarben wären besser gewesen. Die Masken rochen nach Plastik, das sich langsam auflöste, und die Anzugheizungen waren schlecht gewartet und würden vielleicht sogar Feuer fangen, wenn sie zu lange benutzt wurden. Wieder gab es eine Explosion, gleich danach noch zwei weitere. Jede klang näher als die vorhergehende.
    »Atombomben«, sagte Naomi.
    »Vielleicht auch Gaussgeschosse«, wandte Holden ein. Es klang, als sprächen sie über das Wetter.
    Prax zuckte mit den Achseln.
    »Was es auch ist, wenn ein Korridor direkt getroffen wird, müssen wir mit überhitztem Dampf rechnen.« Er

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