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Calibans Krieg

Calibans Krieg

Titel: Calibans Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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war es still. Prax trat auf die Oberfläche von Ganymed hinaus.
    Er hatte Bilder der irdischen Morgenröte gesehen, doch er hätte nie gedacht, so etwas einmal in der Schwärze seines eigenen Himmels zu beobachten. Doch dort, nicht direkt über ihm, sondern in weiten Bögen angeordnet, die sich von Horizont zu Horizont erstreckten, spannten sich grüne, blaue und goldene Streifen – Schrott und Trümmer, die Gase des abkühlenden Plasmas. Die weiß glühenden Fackeln der Antriebe verrieten ihnen die Positionen der Schiffe. Mehrere Kilometer entfernt traf die Salve einer Gausskanone die Oberfläche des Mondes. Die Erschütterung warf sie um. Prax blieb ein paar Augenblicke lang liegen und sah einen Geysir in die Dunkelheit emporschießen. Gleich danach ging das Wasser als Schnee nieder. Es war ein schöner Anblick. Der rationale, wissenschaftliche Teil seines Bewusstseins versuchte, die freigesetzte Energie zu berechnen, als ein Brocken Wolfram aus einer Railgun einschlug. Der Effekt glich einer kleinen Atombombe, allerdings ohne die hässliche Strahlung. Er fragte sich, ob das Geschoss überhaupt abbremsen würde, ehe es den aus Nickel und Eisen bestehenden Kern Ganymeds erreichte.
    »Na gut«, sagte Holden über das billige Funkgerät in Prax’ Rettungsanzug. Die Übertragung war schlecht, Holden klang wie eine Zeichentrickfigur. »Wohin gehen wir jetzt?«
    »Das weiß ich nicht.« Prax kam auf die Knie hoch. Er deutete zum Horizont. »Es ist irgendwo da drüben.«
    »Das ist nicht genau genug«, drängte Holden.
    »Ich war noch nie auf der Oberfläche«, wandte Prax ein. »Ich war natürlich in Kuppeln, aber draußen? Ich meine, ich weiß, dass es in der Nähe ist, aber ich weiß nicht, wie wir hinkommen können.«
    »Na gut«, sagte Holden. Über ihm im Vakuum explodierte weit entfernt etwas Großes. Auf einmal glich er einer alten Comicfigur, die eine Idee hatte. »Wir schaffen das. Wir bekommen das hin. Amos, du gehst zu dem Hügel da drüben und siehst dich um. Prax und Naomi, ihr geht nach dort.«
    »Ich glaube nicht, dass es noch nötig ist«, meinte Naomi.
    »Warum denn nicht?«
    Sie hob die Hand und deutete auf etwas, das sich hinter Holden und Prax befand.
    »Ich bin ziemlich sicher, dass dort hinten gerade die Rosinante landet.«

22 Holden
    Die geheime Landeplattform befand sich am tiefsten Punkt eines kleinen Kraters. Als Holden den Rand erklommen hatte und die Rosinante unter sich sah, verriet ihm das abrupte, schwindelerregende Nachlassen der Anspannung, unter welcher Angst er in den letzten Stunden gelitten hatte. Die Rosinante war ihre Heimat, und ganz egal, wie eindringlich ihm sein rationaler Verstand auch vorhielt, dass sie immer noch in schrecklicher Gefahr schwebten, die Heimat war gleichbedeutend mit Sicherheit. Als er einen Moment innehielt und tief durchatmete, fiel ein grelles Licht über die Szenerie, als hätte jemand ein Foto aufgenommen. Holden blickte gerade noch rechtzeitig nach oben, um eine verglühende Gaswolke am Himmel zu erkennen.
    Direkt über ihnen starben Menschen im Weltraum.
    »Mann«, sagte Prax. »Sie ist größer, als ich erwartet hätte.«
    »Eine Korvette«, erwiderte Amos nicht ohne Stolz. »Ein Begleitschiff der Fregattenklasse.«
    »Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte«, antwortete Prax. »Sie sieht aus wie ein großer Meißel mit einer verkehrt herum angebrachten Kaffeetasse am Heck.«
    »Das ist der Antrieb …«, wollte Amos erklären.
    »Genug«, fiel Holden ihm ins Wort. »Geht zur Luftschleuse.«
    Amos führte sie an. Er hockte sich hin, setzte die Fersen und die Hände auf den Boden, um das Gleichgewicht zu halten, und rutschte die Eiswand des Kraters hinunter. Prax war der Nächste, und ausnahmsweise benötigte er keine Hilfe. Naomi war die Dritte. Nach einem Leben unter wechselnden Schwerkraftverhältnissen besaß sie ausgezeichnete Reflexe und einen guten Gleichgewichtssinn. Es sah sogar anmutig aus.
    Holden bildete den Abschluss. Er fand sich damit ab, sich lächerlich zu machen und schrecklich zu taumeln, und war angenehm überrascht, als nichts dergleichen geschah.
    Als sie über den flachen Grund des Kraters zum Schiff sprangen, glitt die äußere Schleusentür auf. Alex erschien, ein Sturmgewehr in der Hand, in einer marsianischen Rüstung. Sobald sie nahe genug waren, um die Funkstörungen wegzudrücken, sagte Holden: »Alex! Mann, es tut gut, dich zu sehen!«
    »Hallo, Käpt’n«, antwortete Alex. Sein leiernder Akzent konnte die

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