Caligula - Eine Biographie
Thronerhebung Caligulas. Wie auch immer es im einzelnen gewesen sein mag, es handelte sich um eine Thronfolgeregelung am Kaiser und dessen Enkel vorbei und damit um eine höchst prekäre Angelegenheit, die Caligula wiederum mit Erfolg durchstand.
Gefährlich scheint es für ihn jedoch bis zum Schluß geblieben zu sein. Mehrfach wird berichtet, Tiberius habe sich Sorgen um seinen mittlerweile etwa siebzehnjährigen Enkel für den Fall einer Thronfolge Caligulas gemacht. Philo schreibt, Macro habe Caligula auf Capri mehrfach das Leben gerettet, und erwähnt Berichte, daß Caligula beseitigt worden wäre, wenn Tiberius noch kurze Zeit länger gelebt hätte, da er das Ziel schwerer Anschuldigungen geworden war, was sich vielleicht auf die Nachfolgeintrige bezieht. Tiberius habe am Ende seines Lebens vorgehabt, seinen leiblichen Enkel zum Nachfolger zu bestimmen. Anders Dio, der berichtet, Tiberius habe Gemellus für einen Bastard, einen außerehelichen Sohn aus der Verbindung von Livilla und Sejan gehalten und daher Caligula bevorzugt. Eine weitere Version gibt Iosephus, wonach Tiberius einem Gottesurteil in einer Zufallssituation folgte. Die widersprüchlichen Berichte deuten darauf hin, daß bis zuletzt alles offen blieb. Tacitus’ Urteil kommt der Sache wohl am nächsten: Tiberius fehlte die Kraft zu einer Entscheidung.
Tiberius starb am 16. März 37 in Misenum, dem Flottenstützpunkt Roms. Der alte Mann hatte sich in den Wochen zuvor noch ein letztes Mal seiner Heimatstadt genähert, wiederum ohne sie zu betreten. Verschiedene Gerüchte über seinenTod kamen in Umlauf: Als er schon entschlafen schien und die Vorbereitungen für Caligulas Ausrufung bereits in vollem Gange waren, soll der Greis plötzlich wieder zu sich gekommen sein und nach Nahrung verlangt haben. Während allen übrigen Anwesenden der Schrecken in die Glieder fuhr, soll Macro ins Schlafgemach gegangen sein und ihn durch das Überwerfen vieler Decken erstickt haben. Nach einer anderen Darstellung soll Caligula eigenhändig, zunächst durch Gift, dann durch das Erwürgen seines Adoptivgroßvaters, nachgeholfen haben. In wieder einer anderen Version heißt es, er habe versucht, ihn verhungern zu lassen, und ihn dann, mit Hilfe Macros, erstickt. Wie immer es sich tatsächlich zugetragen haben mag – auch in ihrer Verschiedenheit bestätigen die Berichte vom Tod des über die Jahre immer verhaßter gewordenen Kaisers das Bild der Zeitgenossen vom Zentrum der Macht, in dem sich Caligula sechs Jahre aufzuhalten hatte: Es war lebensgefährlich für alle Beteiligten.
Noch am selben Tage wurde Caligula von den in Misenum anwesenden Prätorianern zum Imperator ausgerufen. Nach Absprachen Macros mit den Konsuln und führenden Senatoren folgte der römische Senat den klaren Machtverhältnissen. Am 18. März wurde das Testament des Tiberius annulliert, dieser selbst für unzurechnungsfähig erklärt. In Abwesenheit wurde der Sohn des Germanicus durch die altehrwürdige republikanische Institution, die während der letzten beiden Jahrzehnte nicht nur einen hohen gewaltbedingten Verlust an Mitgliedern, sondern auch an ihrer Moral erlitten hatte, als Kaiser anerkannt; nach seiner Ankunft in Rom am 28. März wurde ihm «das Recht und die Entscheidungsgewalt in allen Angelegenheiten» verliehen (Suet.
Cal.
14, 1). Damit war Caligula im Alter von 24 Jahren Gaius Caesar Augustus Germanicus und Herrscher über das römische Reich geworden.
II. Zwei Jahre Prinzeps
1. Der junge Augustus
Schon bei dem zehn Tage dauernden Zug von Misenum nach Rom wurden dem jungen Kaiser, der in Trauerkleidung den Leichnam des Tiberius begleitete, beeindruckende Sympathiekundgebungen der römischen Bevölkerung zuteil. «Er ging inmitten von Altären, Opfertieren und brennenden Fackeln durch eine dichtgedrängte und überaus frohe Menschenmenge hindurch, die ihm entgegenströmte und immer wieder glückbringende Worte zurief, ihn ihren ‹Stern›, ihr ‹Küken›, ihr ‹Bübchen› und ihren ‹Zögling› nannte.» (Suet.
Cal.
13) Das Prestige und die Beliebtheit des Germanicus hatten die Herrschaft des Tiberius überdauert und übertrugen sich nun, gesteigert noch durch das traurige Schicksal der übrigen Familie, auf seinen letzten Sohn. Caligula sei, so Sueton, bei den Provinzbewohnern und den Soldaten, die ihn noch als Kind erlebt hatten, ebenso bei der gesamten Bevölkerung der Stadt Rom «der willkommenste Kaiser» gewesen
(exoptatissimus princeps;
Suet.
Cal.
13). Nach
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