Caligula - Eine Biographie
und servile Anträge im Senat aufgefallen war, was ihm nicht zum Nachteil gereicht hatte. Er galt als einer der engsten Vertrauten des Tiberius und bekam das Recht verliehen, bei den Umfragen im Senat regelmäßig als erster seine Stimme abzugeben. Es handelte sich dabei um eine außergewöhnliche Ehre, die ihm innerhalb der römischen Aristokratie den ersten Platz verschaffte. In politischer Hinsicht dürfte eine solche Position unter Tiberius – wie dessen oben geschildertes Verhalten im Senat zeigt – nicht ungefährlich gewesen sein, aber Silanus hat sie offensichtlich mit Geschick genutzt.
Die Ehe sollte nur kurze Zeit dauern, und über die Bedeutung, die sie für Caligula hatte, läßt sich nichts ausmachen. Sie erlaubt auch keine positiven Rückschlüsse auf Tiberius’ Nachfolgepläne. Caligulas Brüder Nero und Drusus waren seinerzeit jeweils mit eigenen Kusinen (Iulia, Enkelin des Tiberius, bzw. Aemilia Lepida, Urenkelin des Augustus) verheiratet worden, was ihr herrscherliches Familienprestige deutlich steigerte. Weitere junge Damen entsprechender Herkunft standen derzeit nicht mehr zur Verfügung, aber auch eine Wiederverheiratungeiner der beiden mit Caligula scheint nicht in Betracht gezogen worden zu sein. Iulia kam vielleicht nicht in Frage, da ihre Aussagen zum Sturz seines Bruders Nero beigetragen hatten. Zumindest Aemilia Lepida hätte sich jedoch angeboten, da ihre Beteiligung am Untergang des Drusus (III) erst Jahre später zur Sprache gebracht wurde. Die beiden heirateten in zweiter Ehe statt dessen Adlige außerhalb der kaiserlichen Familie. Caligulas Ehefrau Iunia Claudilla hatte demgegenüber keine vergleichbare Herkunft aufzuweisen. Auch die Eheschließungen von Caligulas Schwestern, denen zweifellos kaiserliche Pläne zugrunde lagen, lassen keinerlei besondere Bevorzugung erkennen. Lediglich Agrippina die Jüngere heiratete mit Gnaeus Domitius Ahenobarbus einen Enkel des Marcus Antonius und der Octavia, Augustus’ Schwester. Aus ihrer Ehe ging der spätere Kaiser Nero hervor. Drusilla wurde mit Lucius Cassius Longinus aus einem alten vornehmen Geschlecht, Livilla mit Marcus Vinicius aus einer weniger bekannten Familie verheiratet. Tiberius’ Heiratspolitik bezüglich der Kinder des Germanicus und der Agrippina läßt sich folgendermaßen charakterisieren: Die Nachfolgeoption für seinen Enkel Tiberius Gemellus wurde durch sie in keiner Weise tangiert.
Die Zukunft Caligulas blieb somit weiter ungewiß, denn er stand einer Thronerhebung des leiblichen Enkels des Tiberius aufgrund seiner Herkunft und seiner Beliebtheit in Rom zweifellos im Wege. Zwei religiöse Ämter, üblich im Lebenslauf eines römischen Senators, die ihm während der Zeit auf Capri verliehen wurden, lassen ebenfalls keine Rückschlüsse auf Tiberius’ Pläne mit ihm zu. Im Jahre 35 schließlich verfaßte Tiberius ein Testament, dessen Inhalt sich bezüglich der Nachfolgefrage als ein dezidiertes «sowohl als auch» beschreiben läßt. Caligula und Gemellus wurden zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt, was keinerlei Entscheidung bedeutete. Schon zu dieser Zeit dürfte jedoch klar gewesen sein, was sich zwei Jahre später bei seinem Tod zeigte: Das Kaisertum war nicht teilbar. Das riesige kaiserliche Vermögen aber, das mittlerweile einen – im modernen Sinne – nicht mehr als privat, sondern als öffentlich zu bezeichnenden Charakter angenommen hatte und eine zentrale Ausstattung des Kaisers bedeutete, hätte nach diesem Testament geteilt werden müssen. Will man es nicht als Dokumentder Entscheidungsunfähigkeit des Tiberius deuten – in welchem Falle der Kaiser aber auch ganz darauf hätte verzichten können –, so war seine Aussage klar: Die Nachfolgefrage sollte offen bleiben.
Neben seiner Ungerührtheit angesichts des Schicksals seiner Familie und neben seinem erfolgreichen Opportunismus gegenüber dem Kaiser und seiner Umgebung wird über Caligulas Verhalten auf Capri bei Sueton berichtet, der spätere Kaiser habe schon in dieser Zeit seinen grausamen und lasterhaften Charakter nicht verbergen können. «So wohnte er mit größtem Vergnügen den Hinrichtungen und Folterungen der zum Tode Verurteilten bei, suchte nachts, durch Perücke und lange Kleider unkenntlich gemacht, Kneipen und übelberüchtigte Häuser auf und war begeistert für Theater, Tanz und Gesang. Tiberius ließ dies gerne geschehen, in der Hoffnung, daß dadurch die rohe Art seines Enkels etwas gemildert werde. Der weitblickende Greis
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