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Caligula - Eine Biographie

Caligula - Eine Biographie

Titel: Caligula - Eine Biographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aloys Winterling
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keine stichhaltigen Hinweise für die Verfolgung von Mitgliedern der Aristokratie in jener Zeit feststellen. Caligulas Antwort auf die Verschwörung der Konsulare erfolgte statt dessen in ganz anderer Weise. Physische Gewalt kam nicht zum Einsatz, aber an Wirksamkeit ließ seine Reaktion nichts zu wünschen übrig.
2. Die Stunde der Wahrheit
    Der Kaiser hielt eine Rede im Senat, die von Cassius Dio ausführlich zitiert wird. Darin sprach er Dinge aus, die in diesem ehrwürdigen Gremium noch nie gehört worden waren. Zunächst erfolgte eine Generalabrechnung mit den Verhaltensweisen des Senatorenstandes in den letzten Jahrzehnten. Caligula tadelte Senat und Volk für die übliche – und von ihm selbst zuvor geteilte – Kritik an seinem Vorgänger Tiberius. «Sodann», schreibt Dio, «ging er auf den Fall eines jeden einzelnen ein, der (sc. unter Tiberius) sein Leben verloren hatte, und versuchte, wie man jedenfalls meinte, darzutun, daß die Senatoren selbst am Tode der meisten von ihnen schuld gewesen seien, indem sie die einen anklagten, gegen die anderen Zeugnis ablegten, alle aber verurteilten. Und die entsprechenden Beweise ließ er, so als wären sie eben jenen Schriftstücken entnommen, die er doch nach seiner früheren Behauptung verbrannthaben wollte, durch die kaiserlichen Freigelassenen verlesen und fügte noch hinzu: ‹Wenn Tiberius wirklich ein solcher Bösewicht war, dann hättet ihr ihn, bei Gott, zeit seines Lebens nicht mit Ehren überschütten und jetzt auf all das hin, was ihr wiederholt erklärt und beschlossen habt, keine derartige Schwenkung vollziehen dürfen. Indes ihr seid nicht allein mit Tiberius auf solch widersprüchliche Weise verfahren, auch Sejan habt ihr zunächst aufgebläht und verdorben, um ihn dann hinzurichten; so habe auch ich nichts Gutes von euch zu erwarten.›» (Cass. Dio 59, 16, 2–4)
    Das war ein persönlicher Frontalangriff gegen die versammelte Senatorenschaft. Caligula legte hier, unterstützt offensichtlich durch die Vorarbeit und das Aktenstudium seiner Freigelassenen, eine zeitgeschichtliche Analyse des Verhaltens der Aristokratie unter Tiberius vor. Er konfrontierte die Senatoren mit der Tatsache, daß es Mitglieder aus ihren eigenen Reihen gewesen waren, die aus opportunistischem Streben nach kaiserlicher Gunst andere denunziert hatten, und daß sie es schließlich selbst gewesen waren, die die Todesurteile über ihre Standesgenossen ausgesprochen hatten. Man kann sich lebhaft vorstellen, was in den einzelnen Mitgliedern des Hohen Hauses vor sich ging, als die kaiserlichen Freigelassenen aus den Akten ihre früheren Äußerungen während der Majestätsprozesse zitierten und die Urteile des Senats insgesamt verlasen. Noch schlimmer aber dürfte gewesen sein, daß Caligula Opportunismus und Schmeichelei, die seit Augustus die Kommunikation des Senats mit dem Kaiser beherrschten, vor den Betroffenen als solche zur Sprache brachte. Indem er ihnen ihre Ehrungen des Tiberius und des Sejan sowie ihr völlig gegenteiliges Verhalten nach deren Tod – Dinge also, die niemand leugnen konnte – vorhielt, legte er offen, was letztlich das Verhalten der Aristokratie gegenüber dem Kaiser bedeutete: Heuchelei, Verstellung, Lüge.
    Es kam aber noch härter. Caligula zitierte eine imaginäre Rede des Tiberius an ihn selbst: «‹Gut und wahrheitsgetreu ist alles, was du da gesprochen hast, und daher schenke keinem von ihnen deine Zuneigung und schone auch niemand! Denn sie hassen dich alle und beten um deinen Tod; und wenn sie dazu imstande sind, werden sie dich ermorden. Mach dir alsokeine Gedanken, welche deiner Maßnahmen ihnen passen, und kümmere dich auch nicht darum, wenn sie etwas schwatzen, behalte vielmehr nur dein eigenes Vergnügen und deine eigene Sicherheit im Auge, denn darauf hast du den gerechtesten Anspruch! Wirst du doch auf solche Weise kein Leid erfahren und dich all der angenehmsten Dinge erfreuen. Und außerdem wirst du noch von ihnen geehrt werden, mögen sie wollen oder nicht. Schlägst du hingegen den anderen Pfad ein, so wird dir dies in der Tat keinen Nutzen bringen; denn magst du auch zum Schein eitlen Ruhm einheimsen, ein Vorteil wird dir daraus nicht erwachsen, im Gegenteil, als Opfer von Anschlägen wirst du ein schmähliches Ende finden. Denn kein Mensch läßt sich gern regieren; er macht vielmehr nur, solange er in Angst lebt, dem Stärkeren den Hof, faßt er hingegen Mut, dann rächt er sich am Schwächeren.›» (Cass. Dio 59, 16, 5–7)

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