Caligula - Eine Biographie
seien bereits unter Tiberius wegen ähnlicher Delikte belangt worden, zu einer Zeit also, als man durch Feindschaft gegen die Germanicusfamilie oder Unterstützung des Gemellus nicht etwa in Gefahr geriet, sondern sich im Gegenteil Vorteile verschaffen konnte. Es gibt also keinen Hinweis darauf, daß alte Rechnungen beglichen werden sollten. Zudem waren es die «Führenden» der Aristokratie, das heißt Mitglieder der Rangklasse der Konsulare, die die Verschwörung initiiert hatten. Es handelte sich somit um Personen, denen gegenüber der Kaiser – bei aller Zirkusbegeisterung und Prachtentfaltung, die ihnen mißfallen haben mag, trotz aller Eroberungspläne, die ihnen bedrohlich erschienen sein mögen – bisher ein insgesamt loyales und entgegenkommendes Verhalten an den Tag gelegt hatte.
Die Verschwörer wurden angezeigt und in Gerichtsverfahren abgeurteilt. War dies die einzige Reaktion Caligulas? Dio erwähnt in seiner Schilderung der ersten Hälfte des Jahres 39, daß ehemalige senatorische Amtsträger wegen Korruption belangt wurden. Der Senator Gnaeus Domitius Corbulo habe mehrfach auf Mängel des römischen Straßenwesens hingewiesen, die unter der Herrschaft des Tiberius eingetreten waren. Mit seiner Hilfe sei Caligula nun gegen alle eingeschritten, dieals
curatores viarum
in den letzten Jahrzehnten für Instandsetzungsarbeiten Gelder empfangen, diese aber nicht für die vorgesehenen Zwecke ausgegeben hatten. Sie bzw. die von ihnen beauftragten Unternehmer seien gezwungen worden, die erhaltenen Beträge zurückzuzahlen. Außerdem nennt Dio namentlich fünf Senatoren, die in jener Zeit Opfer kaiserlicher Verfolgung geworden seien. Die Untersuchung dieser Fälle zeigt jedoch, daß sie für die Behauptung, Caligula habe im großen Stil Senatoren liquidieren lassen, nichts hergeben.
Gaius Calvisius Sabinus, der soeben von seiner Statthalterschaft in Pannonien zurückgekehrt war, und seine Gattin, so Dio, seien angezeigt worden und hätten sich das Leben genommen. Über die Anschuldigungen gegen den Mann erfährt man nichts, der Frau sei vorgeworfen worden, sie habe in der Provinz die Lagerwachen inspiziert und den Soldaten beim Exerzieren zugesehen. Zufällig wird bei Tacitus in anderem Zusammenhang überliefert, daß jedenfalls die Anklage gegen die Dame völlig berechtigt war. Sie soll sich in Männerkleidern im Lager bewegt und mit einem Offizier im Stabsgebäude Ehebruch begangen haben. Als nächster wird Titius Rufus genannt, der den Tod durch Selbstmord gefunden habe, weil er äußerte, der Senat denke anders, als er rede. Diese Aussage war zweifellos richtig, aber gerade deshalb dürfte eine Anzeige gegen ihn kaum vom Kaiser, vielmehr von umtriebigen Standesgenossen ausgegangen sein. Der Prätor Iunius Priscus soll wegen verschiedener Vergehen, tatsächlich aber, so Dio, wegen seines Reichtums angeklagt worden sein. Caligula hätte, als sich nach seinem Tod herausstellte, daß er nicht sonderlich vermögend war, gesagt, jener habe ihn getäuscht und hätte am Leben bleiben können. Sein Fall läßt sich nicht beurteilen, da die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen nicht genannt werden.
Anders verhält es sich mit einem bekannten Redner jener Zeit, Gnaeus Domitius Afer. Caligula soll sich über eine von jenem initiierte, als Ehrung gedachte Inschrift geärgert und ihn selbst mit einer Rede vor dem Senat angeklagt haben. Afer hätte sich nur durch seine schmeichlerische Unterwürfigkeit gerettet. Seine Todesgefahr kann jedoch nicht allzu groß gewesen sein. Dio schreibt, daß Afer über gute Beziehungen zu Caligulas Freigelassenem Callistus verfügte und daß der Kaiser ihnkurz darauf – in der politisch äußerst brisanten Situation der nächsten Verschwörung – zum Konsul machte. Schließlich wird Seneca als nur knapp davongekommenes Opfer genannt. Er habe im Senat eine glänzende Rede gehalten und dadurch Caligulas Unwillen erregt. Allein aufgrund des Hinweises einer dem Kaiser nahestehenden Frau, Seneca leide an fortgeschrittener Schwindsucht, sei er mit dem Leben davongekommen. Auch dies wirkt nicht sehr überzeugend. Sueton berichtet, Caligula habe sich über Senecas Stil lustig gemacht und ihn als «Sand ohne Kalk» charakterisiert, ein Urteil, das auch aus dem Mund eines modernen Philologen stammen könnte. Senecas Redekunst dürfte somit kaum der Grund für seine Gefährdung gewesen sein.
Neben der Aburteilung der Verschwörer und dem Vorgehen gegen korrupte Magistrate lassen sich also
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