Caligula - Eine Biographie
Umgebung zu schöpfen, gegen die Personen also, die die machtvollsten Profiteure und zugleich die wichtigsten Helfer seiner Herrschaft waren – verständlich angesichts seiner Erfahrungen mit seinen Schwestern und Aemilius Lepidus im Jahr zuvor. Allein, das heißt ohne Leibwächter, rief er die Präfekten und Callistus später zu sich und sagte: «‹Ich bin nur einer, ihr aber seid drei; dazu bin ich wehrlos, ihr aber seid bewaffnet! Wenn ihr mich nun haßt und töten wollt, so tut es nur!› Als sie daraufhin auf die Knie fielen und baten, doch so etwas nicht von ihnen zu denken, zog sich Gaius, scheinbar überzeugt, zurück. Seitdem glaubte er, daß man ihn hasse und daß sie an seinen Maßnahmen Anstoß nähmen, und so mißtraute er ihnen und trug ein Schwert, auch wenn er sich in der Stadt aufhielt, an seiner Seite. Indes blieb nicht nur er mißtrauisch gegenüber ihrer Freundschaft, sondern auch jene waren von Angst erfüllt. Er aber versuchte, die drei miteinander zu verfeinden, damit sie nicht gemeinsame Sache machten. Zu diesem Zweck besprach er sich mit jedem einzeln, als wäre er sein Vertrautester, über die beiden anderen, bis daß sie seine Absicht durchschauten…» (Cass. Dio 59, 25, 8)
Jetzt wurde es gefährlich. Callistus und die Prätorianerpräfekten waren in ihrem Schicksal mit dem Kaiser verbunden. Ließ er einen von ihnen – oder alle nacheinander – fallen, so wäre, jedenfalls in der aristokratischen Gesellschaft Roms, allgemeine Freude die Folge gewesen. Wurde er selbst gestürzt, so stürzten sie mit ihm. Mit der Macht, über die sie aufgrund ihrer Nähe zu ihm verfügten, konnten sie alles Mögliche tun. Eines aber konnten sie aufgrund ihrer niedrigen Herkunft als ehemaliger Sklave (Callistus) bzw. unbedeutende Ritter (die Präfekten) nicht – ihn beseitigen, um sich an seine Stelle zu setzen. Ihr Mangel an gesellschaftlicher Ehre war es ja gerade gewesen, der sie für ihre Funktionen qualifiziert hatte. Die nach dem Kaiser mächtigsten Männer des Reiches waren unter Handlungsdruck. Es gab nur noch eine Option für sie, wenn der Kaiser sein Vertrauen in sie nicht wiedererlangte. Was das bedeutete, müßte auch Caligula klar gewesen sein.
Seine Abreise nach Alexandria wurde laut Iosephus für den 25.Januar 41 projektiert. Wer ihn dorthin begleiten, wer in Rom zurückbleiben sollte, ist nicht überliefert.
V. Mord auf dem Palatin
An den großen Verschwörungen des Jahres 39, die fehlschlugen und die Eskalation der Konflikte zwischen Caligula und der römischen Aristokratie einleiteten und vorantrieben, wollte niemand beteiligt gewesen sein. Vielmehr ist die aristokratische Historiographie, wie zu sehen war, von dem Bemühen geprägt, die Ereignisse gänzlich zu unterschlagen. Hinsichtlich der Verschwörung, die zur Ermordung des Kaisers führte, gilt nun das genaue Gegenteil: Auffällig viele aristokratische Namen werden genannt, ja vier verschiedene Verschwörungshäupter sind im Angebot, und bei Cassius Dio heißt es nach der Nennung der Kerngruppe: «Fast alle Personen um den Kaiser ließen sich zu ihrem eigenen Nutzen und zum Nutzen der Allgemeinheit dafür gewinnen. Und diejenigen, die sich nicht an der Verschwörung beteiligten, verrieten nichts, wenn sie davon erfuhren, sondern sahen mit Freude, daß ein Anschlag gegen ihn vorbereitet wurde.» (Cass. Dio 59, 29, 1a)
Eines ist sicher: So kam Caligula nicht zu Tode. Angesichts des bis in die engste kaiserliche Umgebung verbreiteten gegenseitigen Mißtrauens, von dem Dio selbst berichtet, angesichts der allgemein verbreiteten Denunziationsbereitschaft – man denke an die nicht weit zurückliegende Protogenes-Szene im Senat –, angesichts dieser Bedingungen wäre eine Verschwörung mit großer Beteiligung und vielen Mitwissern nicht nur ein Zeichen äußerster Dummheit, sondern zweifellos auch erfolglos gewesen. Der Hintergrund der falschen Information liegt aber auf der Hand: Nachdem Caligula ermordet worden war, konnte man sich durch die Behauptung einer Beteiligung oder Mitwisserschaft als aufrechter Aristokrat profilieren – und zugleich die unrühmliche Rolle, die man zuvor bei der unterwürfigen Verehrung des Kaisers gespielt hatte, erfolgreich vergessen machen.
Was aber ist tatsächlich abgelaufen? Tacitus vermerkt mit knappen Worten: Der Kaiser Gaius sei (im Gegensatz zu Caesar, der durch eine senatorische Verschwörung umkam) durch einen geheimen Anschlag
(occultae insidiae)
ermordet worden. Alle Berichte sind sich
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