Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
Vom Netzwerk:
Augenbrauen zu mir auf. Als ich fertig war, seufzte sie laut, als sei ich der größte Trottel, der je mit der schwarzen Tasche unterwegs gewesen ist.
    »Ich muss heute Abend noch einundzwanzig Insulinspritzen und viermal Penizillin verabreichen, ein Ohr ausblasen, eine Schiefzehe versorgen, Hämorrhoiden behandeln, einen Sekretbeutel leeren und dann soll ich dir noch zeigen, wie man den Puls fühlt?«
    Diese Ungerechtigkeit versetzte mir einen Stich. »Ich weiß ganz genau, wie man den Puls fühlt, aber die Patientin hat mich nicht gelassen und ich konnte sie nicht dazu überreden.«
    »Konnte sie nicht überreden! Konnte sie nicht überreden! Ihr jungen Mädchen kriegt aber auch gar nichts hin. Ihr hängt zu viel über den Büchern, das ist das Problem. Den ganzen Tag sitzt ihr in der Schule und stopft euch einen Haufen Bockmist in den Kopf und dann könnt ihr noch nicht einmal etwas so Simples wie den Puls fühlen.«
    Sie schnaubte verächtlich, und als sie den Kopf schüttelte, spritzte ein Tropfen von ihrer Nasenspitze über den Schreibtisch und die Patientenakten vor ihr. Sie zog ein großes Männertaschentuch unter ihrem Skapulier hervor und wischte die Spritzer weg, wobei die Tinte verschmierte. Sie grantelte noch einmal: »Da. Jetzt schau, was mir wegen dir passiert ist.«
    Ich kochte innerlich angesichts dieser neuen Ungerechtigkeit und ich musste mir auf die Lippen beißen, um keine scharfzüngige Antwort zu geben, die alles nur noch schlimmer gemacht hätte.
    »Also, Miss Wo-ist-der-Puls, dann muss ich wohl um vier mit dir kommen. Wir fangen unsere Abendbesuche gemeinsam dort an und dann trennen wir uns. Wir gehen hier um Punkt halb vier los, also komm bloß nicht zu spät. Ich will hier nicht nutzlos warten und um sieben will ich wie immer zu Abend essen.«
    Damit schob sie geräuschvoll den Stuhl zurück, stapfte aus dem Büro und gab noch ein letztes »Hmpf« von sich, als sie an mir vorbeiging.
    Viel zu schnell war es halb vier. Wir schoben die Fahrräder aus dem Schuppen und das Schweigen der Nonne sagte mehr als ihr Knurren ein paar Stunden zuvor. Wir erreichten das Haus, ohne auch nur ein Wort gewechselt zu haben, und klopften. Wieder keine Antwort. Ich wusste, was zu tun war, also erzählte ich Schwester Evangelina von dem Mann im zweiten Stock.
    »Na, dann ruf ihn und steh nicht plappernd herum, Plaudertäschchen.«
    Ich biss die Zähne zusammen und begann wütend, Steinchen gegen das Fenster zu werfen. Ein Wunder, dass ich die Scheibe nicht einwarf.
    Wieder rief der Mann hinaus: »Ich komm«, und wieder versteckte er sich hinter der Tür, als wir hineingingen. Doch dieses Mal fügte er hinzu: »Nächstmal komm ich nich mehr. Geht ihr hintenrum, klar. Ich nich mehr aufmach.«
    Im Zwielicht von Mrs Jenkins’ Zimmer kam maunzend eine Katze auf uns zu. Der Wind machte ein eigenartiges Geräusch, als er über das Loch in der Decke strich. Mrs Jenkins saß so zusammengesunken in ihrem Sessel, wie ich sie am Morgen verlassen hatte.
    Schwester Evangelina rief sie bei ihrem Namen. Keine Antwort. Das schien mir recht zu geben – jetzt würde sie merken, dass ich nicht übertrieben hatte. Sie ging zum Sessel. Sanft sprach sie Mrs Jenkins an: »Komm schon, Mutter. So gehts nicht. Der Doktor hat gesagt, mit deiner Pumpe stimmt was nicht. Glaub ihm bloß kein Wort. Dein Herz ist so gut wie meins, aber wir müssen uns das mal ansehen. Keiner tut dir weh.«
    Das Bündel Kleider im Sessel rührte sich nicht. Schwester Evangelina lehnt sich vor, um den Puls zu fühlen. Der Arm wurde zu meiner Freude weggezogen. Dann wollen wir doch mal sehen, wie Schwester Bescheidwisser zurechtkommt, dachte ich.
    »Es ist aber auch kalt hier drin. Hast du kein Feuer?«
    Keine Antwort
    »Und dunkel ists auch. Wie wärs denn mit nem bisschen Licht für uns?«
    Keine Antwort.
    »Seit wann gehts dir denn schlecht?«
    Keine Antwort.
    »Gehts denn jetzt ein bisschen besser?«
    Wieder völliges Schweigen. Selbstzufriedenheit machte sich in mir breit. Schwester Evangelina schaffte es offenbar ebenso wenig wie ich, die Patientin zu untersuchen. Was würde jetzt wohl passieren?
    Was nun passierte, kam so völlig unerwartet, dass ich noch jetzt, fünfzig Jahre später, rot werde, wenn ich mich daran erinnere.
    Schwester Evangelina murmelte: »Du bist aber ne sture alte Dame. Mal sehen, ob das hilft.«
    Langsam lehnte sie sich über Mrs Jenkins, und während sie sich vorbeugte, entließ sie einen kolossalen Furz. Er donnerte und donnerte,

Weitere Kostenlose Bücher