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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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und als ich gerade dachte, nun sei er vorbei, ging es weiter, nur in einer höheren Tonart. In meinem ganzen Leben war ich noch nie so schockiert gewesen.
    Mrs Jenkins richtete sich in ihrem Sessel auf. Schwester Evangelina rief: »Wo ist er hin, Schwester? Lass ihn nicht raus. Da drüben an der Tür ist er – fang ihn ein. Jetzt ist er am Fenster – jetzt pack ihn schon, schnell.«
    Ein kehliges Kichern kam aus dem Sessel.
    »Mensch, das ist schon besser«, sagte Schwester Evangelina fröhlich. »Nichts reinigt das Gedärm besser als ein ordentlicher Furz, was, Mutter Jenkins?«
    Das Bündel Kleider erbebte und aus dem kehligen Kichern wurde ein herzhaftes Lachen aus vollem Hals. Mrs Jenkins, die man abgesehen von ihren obsessiven Fragen über die Neugeborenen nie ein Wort reden gehört hatte, lachte, bis ihr Tränen über die Wangen liefen.
    »Schnell! Unter dem Stuhl. Der Kater hats. Nimms ihm ab, sonst wird ihm schlecht.«
    Schwester Evangelina setzte sich neben sie und die beiden alten Damen (Schwester Evie war ja auch kein junger Hüpfer mehr) schüttelten sich vor Lachen über Fürze, Ärsche, Haufen, Ausdünstungen und Gestank und tauschten Geschichten aus; ob wahr oder erfunden, wusste ich nicht zu sagen. Ich war zutiefst schockiert. Ich wusste, dass Schwester Evie krude sein konnte, aber ich hatte nicht geahnt, dass sie ein solch großes und vielfältiges Repertoire an Geschichten auf Lager hatte.
    Ich zog mich in eine Ecke zurück und schaute den beiden zu. Sie sahen aus wie zwei alte Hexen aus einem Bruegel-Gemälde, eine in Lumpen, die andere im Nonnenhabit, und sie lachten gemeinsam dreckig in kindlicher Freude. Ich war völlig außen vor und hatte Zeit, mir über vieles Gedanken zu machen, nicht zuletzt, wie um alles in der Welt Schwester Evangelina in der Lage gewesen war, in exakt diesem Moment einen so spektakulären Furz zustande zu bringen. Konnte sie das auf Kommando? Ich hatte von einem Künstler der Comédie-Française gehört (unsterblich gemacht durch Toulouse-Lautrec), der das Pariser Publikum der 1880er-Jahre mit einem breiten Spektrum unterschiedlicher Klänge aus seinem Hinterteil unterhielt, aber ich hatte noch nie von jemandem gehört, geschweige denn jemanden kennengelernt, der so etwas tatsächlich konnte. War Schwester Evangelina ein Naturtalent oder hatte sie sich diese Fertigkeit in langen Stunden des Übens erarbeitet? Vergnügt führte ich mir diese Möglichkeit vor Augen. War das ihre große Nummer auf Partys? Ich fragte mich, wie sie bei festlichen Anlässen wie Weihnachten oder Ostern im Kloster ankäme. Würden sich die Oberin und ihre Mitschwestern angesichts dieser einzigartigen Gabe amüsieren?
    Die beiden alten Mädchen erfreuten sich in solch kindlicher Unschuld, dass meine erste verächtliche Reaktion mir selbst kleinlich und gemein vorkam. Was war denn falsch daran? Alle Kinder lachen sich über Hintern und Fürze kaputt. Die Werke von Chaucer, Rabelais, Fielding und vielen anderen stecken voller Latrinenhumor.
    Es gab keinen Zweifel, Schwester Evangelinas Aktion war brillant gewesen. Ein Meisterstück. Zu behaupten, dass ein Furz für frischen Wind gesorgt habe, scheint ein Widerspruch in sich, aber steckt das Leben nicht voller Widersprüche? Von diesem Moment an verlor Mrs Jenkins jegliche Furcht vor uns. Wir konnten sie untersuchen, behandeln und mit ihr reden. Und ich erfuhr von ihrer tragischen Geschichte.

Rosie
    »Rosie? Bis du das, Rosie?«
    Die alte Frau hob ihren Kopf und rief laut, als die Haustür schlug. Man hörte Schritte im Flur, aber Rosie kam nicht ins Zimmer. Sehr rasch hatte sich so manches in Mrs Jenkins’ Leben verbessert. Der Sozialdienst kam und jemand hatte sauber gemacht. Der alte Sessel voller Flöhe war durch einen neuen ersetzt. Auch ein Bett gab es nun, aber kein Mensch hat je darin übernachtet. Mrs Jenkins war so daran gewöhnt, im Sessel zu schlafen, dass sie nicht zu überreden war, das Bett auszuprobieren, also schliefen die Katzen darauf. Schwester Evangelina bemerkte trocken, die neue Regierung habe ja wohl mehr Geld als Verstand, da sie jetzt schon Sozialleistungen für Katzen erbringe.
    Die auffälligste Verbesserung war die Reparatur des Lochs im Dach, die Schwester Evangelina im Einzelgefecht mit dem Hausbesitzer durchsetzte. Ich war dabei, als sie die brüchige Treppe zum zweiten Stock hinaufstieg. Es hätte mich nicht überrascht, wenn diese unter ihrem bedeutenden Gewicht nachgegeben hätte, und warnte sie davor, aber sie

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