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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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und hatte dann etwas Zeit, mich vor dem Mittagessen zu waschen und umzuziehen. Bei Tisch mochte ich mich nicht recht an der allgemeinen Unterhaltung beteiligen. In meinem Kopf hörte ich immer noch das erschütternde Wolfsgeheul, ich dachte an Schwester Evangelinas Erläuterung und erinnerte mich an etwas. Ihre Worte riefen mir etwas in den Sinn, was mir mein Großvater vor Jahren über einen Mann erzählt hatte, der in Geldnot geraten war. Der Mann hatte bei den Behörden vorgesprochen und um zeitweilige Unterstützung gebeten, doch es wurde ihm gesagt, dass er keine bekomme, sondern ins Arbeitshaus geschickt werde. Der Mann antwortete: »Dann lieber sterben«, ging weg und erhängte sich.
    Als Kind wurde mir das örtliche Arbeitshaus immer mit einem gedämpften, furchtsamen Flüstern gezeigt. Selbst das leer stehende Gebäude weckte immer noch ein Gefühl von Angst und Abscheu. Die Leute gingen nicht durch die Straße, an der es lag, oder wechselten mit abgewandtem Gesicht die Straßenseite. Diese Furcht ergriff sogar mich, obwohl ich als kleines Kind nichts von der Geschichte der Arbeitshäuser wusste. Mein ganzes Leben lang lief mir beim Anblick dieser Häuser immer ein Schauer über den Rücken.
    Schwester Evangelina begleitete mich häufig zu meinen Besuchen bei Mrs Jenkins und ich bewunderte ihre Art, die alte Frau zum Reden zu bewegen. Sich zu erinnern war anscheinend eine gute Therapie für sie. Sie konnte ihre schmerzliche Vergangenheit gemeinsam mit einem liebevollen und mitfühlenden Menschen noch einmal durchleben.
    Von der Stadtverwaltung erhielt Schwester Evangelina die alten Akten des Arbeitshauses von Poplar. Mrs Jenkins hatte in den Jahren von 1916 bis 1935 dort als hilfsbedürftige Insassin verbracht. »Lang genug, um jeden in den Wahnsinn zu treiben«, kommentierte Schwester Evie trocken. Mrs Jenkins war als Witwe mit fünf Kindern aufgenommen worden, weil sie nicht für ihren Unterhalt sorgen konnte. Sie wurde als »körperlich gesunde Erwachsene« geführt. Wie den Akten zu entnehmen war, erhielt Mrs Jenkins nach ihrer Entlassung 1935 eine Nähmaschine, die es ihr ermöglichen sollte, sich selbst zu versorgen, außerdem vierundzwanzig Pfund: ihr gesamter Verdienst, den sie während der neunzehn Jahre im Arbeitshaus angesammelt hatte. Ihre Kinder wurden nie wieder erwähnt.
    Die Akten zeichneten ein nüchternes, unzureichendes Bild. Mrs Jenkins selbst ergänzte die fehlenden Details in ihren Gesprächen mit Schwester Evie. Hier und da kamen Teile ihrer Geschichte zutage, sie erzählte sie völlig emotionslos und undramatisch, als sei nichts dabei. Ich hatte den Eindruck, dass sie über eine so lange Zeit so viel Leid gesehen und selbst erlebt hatte, dass sie es als unabwendbar hinnahm. Ein glückliches Leben war für sie unvorstellbar.
    Sie war in Millwall geboren worden und hatte wie die meisten Mädchen mit dreizehn begonnen, in einer Fabrik zu arbeiten, dann hatte sie mit achtzehn einen Jungen aus der Nachbarschaft geheiratet. Gemeinsam mieteten sie zwei Zimmer über einer Schneiderei in der Commercial Road und im Lauf der folgenden zehn Jahre kamen sechs Kinder zur Welt. Dann bekam ihr junger Ehemann einen Husten, den er nicht wieder loswurde. Sechs Monate später spuckte er Blut. »Er is einfach immer schwächer geworden«, sagte sie in sachlichem Ton. Drei Monate später war er tot.
    Mrs Jenkins war damals stark und noch keine dreißig Jahre alt. Sie zog aus der Zweizimmerwohnung aus und mietete ein kleines Hinterzimmer für sich und die Kinder. Sie ging wieder zurück in die Hemdenfabrik und arbeitete von acht Uhr morgens bis sechs Uhr abends. Ihr Baby war erst drei Monate alt, aber Rosie – ihre älteste Tochter – war schon zehn und verließ die Schule, um auf die jüngeren Kinder aufzupassen. Dann nahm sie zusätzliche Aufträge für Näharbeiten an und saß oft die halbe Nacht bei Kerzenlicht und nähte. Auch Rosie erlernte das Handwerk und wurde eine gute Näherin, die oft mit ihrer Mutter bis in die späten Abendstunden bei der Arbeit saß. Diese stillen gemeinsamen Stunden brachten zusätzlich ein wenig Geld – genug, um die Familie nach Abzug der Miete zu ernähren.
    Dann kam es zur Katastrophe. Die Maschinen in der Fabrik waren völlig ungeschützt und so verfing sich der Ärmel von Mrs Jenkins’ Kleid in einem Rad und zog ihren rechten Arm hinunter in die Schneidemesser. Sie zog sich eine schlimme Verletzung zu, bei der sie viel Blut verlor. Eine Reihe von Bändern war

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