Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End
und schob ihren Schleier zurück, der den Hauern des Schweins entgegengeweht war.
»Oh, das ist aber ein schöner Knabe«, flüsterte sie aufgeregt.
Der Bauer sah sie an, zog an seiner Pfeife und sagte: »Das glaub ich jetzt nicht.«
Er wollte die Sau sehen. Der Weg zu Freds Hinterhof führte durch einen Durchgang zwischen den Häusern, an dessen Ende die Begrenzungsmauer der Werften lag. Dahinter floss die Themse. Der Bauer schaute also direkt auf die turmhohen Rümpfe hochseetauglicher Frachtschiffe.
»Das glauben die mir nie. Niemals«, murmelte er, während er sich bückte, um seine Pfeife und die Schlüssel aufzuheben, die ihm aus der Hand gefallen waren.
Er wurde zu Freds Hinterhof geführt.
»Da is sie un sie freut sich schon auf’n bisschen Spaß mit dem Riesenrammler da drüben auf’m Laster.«
»Spaß?«, knurrte der Bauer. »Ein Pfund kostet dich der Spaß, und zwar bar auf die Hand.«
Fred kannte den Preis und er hatte das Geld bereitgelegt, aber er grummelte trotzdem: »Mann – ein Pfund pro Nummer – das is mehr, als die oben im Westen kriegen.«
Schwester Julienne ermahnte ihn: »Grummeln nützt nichts, Fred. Ein Pfund ist der gängige Preis, also bezahlen Sie am besten gleich.«
Der Bauer betrachtete die Nonne mit Befremden, aber Fred drückte ihm das Geld ohne ein weiteres Wort in die Hand.
Der Bauer steckte es ein und sagte: »Gut! Dann holen wir ihn mal.«
Doch das war leichter gesagt als getan.
Eine Menschenmenge hatte sich versammelt und es kamen immer mehr Zuschauer hinzu – Neuigkeiten sprechen sich auf der Isle of Dogs schnell herum. Der Bauer setzte seinen Laster zurück in Richtung Durchgang, dann öffnete er die Heckklappe und sprang auf die Ladefläche, um den Eber hinunterzuscheuchen, doch der Eber weigerte sich. Schweine können nur schlecht sehen und für ein Tier, das die großen Weiten von Essex gewohnt war, muss der Durchgang wie der Schlund zur Hölle gewirkt haben.
»Komm hoch und hilf mir«, rief der Bauer Fred zu.
Gemeinsam schoben sie, schlugen auf den Eber ein und schrien das Tier an, das allmählich genug hatte und versucht war, seine Hauer doch noch einzusetzen. Die Menge auf der Straße hielt den Atem an, Mütter zogen ihre Kinder zurück, als der Eber langsam und zögerlich auf seinen winzigen Läufen die Rampe hinunterkam und in den Durchgang trat. Doch auch danach lief es alles andere als reibungslos. Der Durchgang war sehr eng und fast blieb der Eber stecken. Die beiden Männer schoben ihn an. Schwester Julienne lief mit Steckrübenblättern in der Hand durch das Haus, durch das Schweinegatter und den Hinterausgang, denn dieser Leckerbissen würde das Schwein anlocken, behauptete sie. Sie hielt die Blätter unter seine Nase, aber es bewegte sich nicht vorwärts.
Fred hatte eine Idee. »Was wir brauchen, is ’n rot glühender Schürhaken. Den schieben wir ihm in den Arsch, wie sies auch mit den Kamelen in der Wüste machen, wenn sie über ne Brücke wollen. Kamele gehn nämlich nich über Wasser.«
»Wenn du ihm ’n rot glühenden Schürhaken in den Arsch steckst, steck ich dir auch einen rein, mein Freund«, drohte der Bauer und schob weiter.
Schließlich hatten sie den Eber in Freds Hinterhof bugsiert. Eine Kinderschar folgte ihnen, weitere Kinder liefen in die angrenzenden Gärten und lehnten sich über den Zaun.
Der Bauer wurde sauer. Er sprach langsam, aber bestimmt.
»Du musst die ganzen Leute wegschicken. Schweine sind scheue Tiere. Vor Publikum machen die gar nichts.«
Wieder nahm sich Schwester Julienne der Sache an. Sie sprach mit ruhiger Autorität in der Stimme mit den Kindern, und sie schlichen sich davon. Mit Fred und dem Bauern ging sie ins Haus und schloss die Tür. Doch Schwester Julienne konnte der Versuchung nicht widerstehen und schielte durch die Vorhänge, um zu beobachten, wie der »Ehemann« – wie sie ihn hartnäckig nannte – der Sau gefiel.
»Oh, Fred, ich glaube, sie mag ihn nicht – schauen Sie, sie schiebt ihn weg. Aber er ist ganz klar interessiert, sehen Sie?«
Fred stand am Fenster und saugte an seinem Zahn.
»Nein, nein, so nicht!«, rief Schwester Julienne und knetete verzweifelt ihre Hände. »Du darfst ihn nicht beißen. So geht das nicht. Jetzt läuft sie weg. Fred, ich fürchte, sie wird ihn nicht akzeptieren. Was meinen Sie?«
Fred wusste nicht, was er meinen sollte.
»Das ist besser. Braves Mädchen. Jetzt zeigt sie immer mehr Interesse, sehen Sie, Fred? Ist das nicht wunderbar?«
Fred bekam
Weitere Kostenlose Bücher