Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
Vom Netzwerk:
Bella genoss es still für sich, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Sie war kein lautes oder angeberisches Mädchen, doch man konnte deutlich sehen, dass sie sich freute, der Anlass für diese extravagante Feier zu sein. Ihre Mutter war ganz in ihrem Element und platzte fast vor Stolz. Kurz vor dem Platzen stand übrigens auch ihr violettes Taftkleid. (Warum wählen Frauen zu Hochzeiten bloß immer eine dermaßen übertriebene Garderobe? Schauen Sie sich nur um, Frauen mittleren Alters tragen Sachen, die sie mit Mitte zwanzig hätten aussortieren sollen, die sich über breite Hintern spannen, die in der Taille zu stark gerafft sind und Speckfalten betonen; dazu kommen lächerliche Frisuren, groteske Hüte und Kamikazeschuhe.) Bellas Mutter und einige ihrer Tanten trugen Hüte mit modischen Schleiern, die das Essen eher schwierig gestalten, und so klappten sie die Schleier hoch und steckten sie oben an den Hüten fest, was diese noch lächerlicher aussehen ließ.
    Bellas Vater nahm sich für seine Hochzeitsrede volle fünfundvierzig Minuten Zeit. Er sprach ausführlich über Bellas Babyjahre, ihren ersten Zahn, ihr erstes Wort, ihre ersten Schritte. Er fuhr fort, indem er ihre glänzenden schulischen Leistungen pries und erzählte, dass ihr Abschlusszeugnis gerahmt an der Wand hing. Ohne Zweifel hätte er auch noch das Schwimmabzeichen und die Fahrradprüfung erwähnt, wenn Bellas Mutter nicht »Oh, jetzt komm aber mal zum Punkt, Ern« gerufen hätte.
    Also widmete er sich nun Tom und erklärte ihm, was er doch für ein vom Glück verwöhnter Kerl war und dass zwar all die anderen Typen hinter ihr her gewesen seien, aber er (Ern) den Eindruck gewonnen habe, dass er (Tom) der Beste von der ganzen Bande sei und auf seine kleine Bella gut aufpassen würde, denn er sei ja ein guter, fleißiger Junge und werde immer daran denken, dass zwei Dinge den im Leben und in der Ehe erfolgreichen Mann ausmachen: »Früh geht er ins Bett, und morgens steht er gleich wieder – seinen Mann …«
    Alle Onkel lachten laut auf oder zwinkerten einander wissend zu und die Tanten taten schockiert und sagten zueinander: »Er is aber auch ’n Schlimmer.« Bella konzentrierte sich ganz auf ihre Götterspeise, sie war klug beraten, so zu tun, als hätte sie die Pointe nicht verstanden.
    Nachdem das Paar die Freuden der Flitterwochen in einer der besten Pensionen im Seebad Clacton genossen hatte, bezog es eine kleine Wohnung in der Nähe von Bellas Mutter. Flo wollte für ihre Tochter nur das Allerbeste, und so hatte sie in ihrer Abwesenheit Teppichboden verlegen lassen. Dieser Luxus war damals im East End nahezu unbekannt. Tom staunte und konnte nicht aufhören, mit den Zehen über den weichen Flor zu streichen und zuzuschauen, wie er sich hin und her bewegte. Bella war entzückt und das war der Auslöser einer wahren Einkaufsorgie, bei der sie Haushaltsgegenstände erwarben, die den meisten Nachbarn neuartig und fremd vorkamen: eine dreiteilige Polstergarnitur, elektrische Wandbeleuchtung, einen Fernseher, ein Telefon, einen Kühlschrank, einen Toaster und einen elektrischen Wasserkocher. Tom fand all das sehr modern und war froh, dass seine Bella die Rolle der kleinen Hausfrau so gerne annahm. Er musste mehr und mehr Überstunden machen, um mit den Ausgaben Schritt zu halten, aber er war noch jung und stark und es machte ihm nichts aus, solange sie nur glücklich war.
    Bei ihrer ersten Schwangerschaft meldete sich Bella bei den Hebammen des Heiligen Nonnatus an, weil ihre Mutter ihr dazu geraten hatte. Sie kam jeden Dienstagnachmittag zur Vorsorgesprechstunde und war in guter gesundheitlicher Verfassung. Bella war etwa in ihrer zweiunddreißigsten Schwangerschaftswoche, als Flo eines Abends zu uns kam. Es war außerhalb unserer Sprechzeiten, aber sie schien aufgewühlt. »Ich mach mir Sorgen über unsere Bell. Sie hat Depressionen oder so was. Ich merk das und Tom merkt das auch, ganz sicher. Sie redet nich, sie schaut keinen an, sie macht gar nix. Tom sagt, manchmal kommt er heim un das Geschirr is noch nich mal gespült un es sieht aus wie im Schweinestall. Da stimmt was nich.«
    Wir sagten ihr, dass Bella vom medizinischen Standpunkt ganz gesund sei und die Schwangerschaft normal verlaufe. Dennoch boten wir ihr über die Dienstagssprechstunde hinaus an, Bella zu Hause zu besuchen.
    Bella war eindeutig depressiv. Mehrere von uns besuchten sie und wir beobachteten alle die gleichen Symptome: Lethargie, Unaufmerksamkeit und

Weitere Kostenlose Bücher