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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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ihr das Gesicht mit einem kühlen Waschlappen ab. Wir warteten die nächste Wehe ab und sahen auf die Uhr. Alle fünf Minuten. Ich dachte, wahrscheinlich dauert es jetzt nicht mehr lange. Zwischen den Wehen wirkte meine junge Patientin benommen und lethargisch und ich wollte ihr nicht noch mehr Beruhigungs- oder Schmerzmittel geben, da die Geburt kurz bevorstand.
    »Wie geht es ihr?«, fragte ich Flo und tippte mir an die Schläfe, um ihr zu zeigen, was ich meinte.
    Sie antwortete: »Sie hat kein Wort gesagt, seit Sie gegangen sin, kein Wort. Sie hat nich mal Tom angeschaut, als er heimgekommen is, un sie hat auch nix zu ihm gesagt. Kein Wort, nix. Armer Kerl, er merkt das doch auch.«
    Sie klopfte sich aufs Herz, um zu zeigen, wie er sich fühlte.
    Mit der nächsten Wehe riss die Fruchtblase und Bellas Atmung wurde schneller. Sie packte die Hand ihrer Mutter.
    »Ruhig, ruhig, mein Liebes. Dauert nich mehr lang.«
    Die Wehe war vorüber, aber Bella hielt die Hand ihrer Mutter weiterhin fest gepackt wie in einer Zange. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
    Bella stieß einen leisen Schrei aus – »Nein!«, und mit jedem Wort wurde ihre Stimme lauter: »Nein! Nein! Nein! Aufhalten. Ihr müsst es aufhalten.«
    Dann gab sie schrille, gurgelnde Laute von sich. Sie warf sich auf dem Bett umher und machte diese schrecklichen Geräusche, eine Mischung aus Schreien und Lachen. Es waren keine Schmerzensschreie, denn sie hatte gerade keine Wehe. Sie war hysterisch.
    Ich sagte: »Tom muss sofort einen Arzt anrufen.«
    Bella rief: »Nein! Ich will keinen Arzt. Oh Goott! Kapiert ihr denn nich? Das Baby ist schwarz. Tom bringt mich um, wenn er es sieht.«
    Ich glaube, Flo verstand nicht, was sie gesagt hatte. Damals waren dunkelhäutige Menschen im East End so selten, dass die Worte ihrer Tochter keinen Sinn zu ergeben schienen.
    Bella schrie immer noch. Dann beschimpfte sie ihre Mutter und schrie sie an: »Verstehste denn nich, du blöde Kuh. Das Baby is schwarz!«
    Jetzt verstand Flo. Sie riss sich von ihrer Tochter los und starrte sie entsetzt an. »Schwarz? Machst du Witze? Na klar. Du meinst, es is nich Toms Baby?«
    Bella nickte.
    »Du dreckige Schlampe, du. Hab ich dich dazu großgezogen? Dass du mir so ne Schande machst, mir und deinem Dad?«
    Sie schlug die Hand vor den Mund und hielt entsetzt den Atem an.
    »Oh mein Goott«, flüsterte sie. »Im Verein haben sie ne große Sause für Dad vorbereitet, als Überraschung. Er is Vorsitzender dieses Jahr und die Jungs wollten ihm doch ne Riesensause veranstalten, wenn sein erstes Enkelkind zur Welt kommt. Er wird ja das Gespött von ganz Poplar. Das wird so schnell keiner vergessen. Das schmieren sie ihm dick aufs Brot.«
    Sie knetete stumm ihre Hände und schrie dann ihre Tochter an: »Oh, wärste bloß nie geboren worden. Hoffentlich stirbs du jetz, mit dem Bastard da drin, ja, hoffentlich.«
    Eine weitere Wehe kam und Bella schrie vor Schmerzen. »Haltet es auf. Lasst es nich raus. Haltet es irgendwie auf.«
    »Ich geb dir gleich ›lasst es nich raus‹«, schrie Flo. »Ich bring dich um, bevor es draußen is, du dreckige Schlampe, du.«
    Sie schrien sich gegenseitig an. Ein verschreckter Tom erschien in der Tür. Flo drehte sich zu ihm um, ihr Gesicht war rot vor Zorn. »Raus hier«, rief sie. »Das is hier nix für Männer. Raus. Geh spazieren oder so was. Un lass dich bis morgen früh nich mehr blicken.«
    Hastig zog Tom sich zurück. Männer waren daran gewöhnt, während der Geburt herumkommandiert zu werden.
    Durch die Störung hatte Flo offenbar ihre Gedanken sortieren können. Sie wurde pragmatisch. »Wir müssen es loswerden«, sagte sie. »Keiner darfs wissen, er am allerwenigsten. Wenn es da is, bring ich es weg und es kommt in ein Heim. Keiner wirds je erfahren.«
    Bella packte ihre Hand und ihre Augen leuchteten. »Oh Mum, das machst du? Willst du das wirklich für mich tun?«
    In meinem Kopf drehte sich alles. Bis dahin hatten mich all der Lärm und das Drama zwischen Mutter und Tochter moralisch und emotional regelrecht betäubt, aber das war eine ganz neue Wendung der Ereignisse.
    »Das geht auf keinen Fall«, sagte ich. »Was wollt ihr denn Tom sagen, wenn er morgen nach Hause kommt?«
    »Wir sagen ihm, es is gestorben«, sagte Flo mit fester Stimme.
    »Aber in der heutigen Zeit ist das nicht so einfach. Man kann ein lebendiges Baby nicht wie von Geisterhand verschwinden lassen und erklären, es sei gestorben. Damit kommt ihr nicht durch. Tom glaubt doch, er

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