Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End
Notfalldienst hat sicher Tausende von Leben gerettet, denn vor seiner Verbreitung in den 1940er-Jahren konnte sich eine Hebamme völlig allein mit einer geburtsmedizinischen Notfallsituation konfrontiert sehen – wie etwa irregulären Kindslagen, Blutungen, Nabelschnurvorfällen oder einer Placenta praevia – und alles, was sie dann tun konnte, war, den Hausarzt zu rufen, der in Geburtshilfe erfahren war oder auch nicht.
Es war der ganze Stolz des Notfallteams des London Hospital , dass es im geburtsmedizinischen Notfall binnen zwanzig Minuten vor Ort sein konnte. Das galt jedoch nur, wenn nicht gerade Smog in London herrschte. Als der Polizist das Krankenhaus in Conchitas Fall erreicht hatte, war gerade kein Krankenwagen verfügbar, um das Notfallteam zu befördern. Der Smog verursachte jedes Jahr bei Tausenden älterer Menschen akute und tödliche Ateminsuffizienz und jeder verfügbare Arzt und jeder Krankenwagen war unterwegs, um sich um diese Fälle zu kümmern. Als schließlich ein Wagen zurückkehrte, wurde der Fahrer, der bereits seit sechzehn Stunden ohne Pause im Dienst war, nach Hause geschickt und es musste Ersatz gefunden werden. Selbst dann musste noch ein Polizist den Krankenwagen per Fahrrad durch die Straßen leiten – daher die etwa dreistündige Verzögerung. Immerhin hatte das Krankenhaus einen Assistenzarzt, einen Jungassistenten und eine Krankenschwester der geburtsmedizinischen Abteilung geschickt.
Nun kam, wie es so schön heißt, alles auf einmal zusammen, denn wenige Minuten später traf auch – zu Fuß – ein Allgemeinmediziner ein. Der Gute, dachte ich. Er sah erschöpft aus. Er hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht lang gearbeitet und höchstwahrscheinlich auch die Nacht zuvor und doch war er so professionell und höflich, sich für seine Verspätung zu entschuldigen.
Bei so viel medizinischer Kompetenz mussten wir eine Konferenz einberufen, um zu entscheiden, was das beste Vorgehen für Mutter und Baby war. Wir gingen dazu hinunter in die Küche und ich bat Len, mich zu begleiten. Liz blieb bei ihrer Mutter und dem Baby. Die beiden Notfallsanitäter und die Polizisten kamen auch dazu – sie konnten schwerlich draußen in der Kälte sitzen und im ganzen Haus gab es keinen anderen Sitzplatz für sie. Sue, eines der älteren Mädchen, kochte Tee für alle.
Ich fasste kurz die Krankengeschichte zusammen und legte die Patientinnenakte vor. Die Ärzte waren der einhelligen Meinung, dass Mutter und Baby sofort ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Len erschrak.
»Muss sie wirklich dahin? Das wird ihr nich gefallen. Sie war noch nie weg von zu Haus, noch nie. Da wird sie sich ganz verloren fühlen und Angst kriegen. Ich bin mir ganz sicher. Wir können für sie sorgen. Ich bleib zu Haus und die Mädchen können mit anpacken, bis es ihr wieder besser geht.«
Die Ärzte sahen einander an und seufzten. Sie kannten die verbreitete Angst vor Krankenhäusern, vor allem bei der älteren Generation, die die Gebäude noch als Arbeitshäuser gekannt hatte. Sie waren sich einig, dass Conchita, da sie letztlich ohne Probleme entbunden hatte, wahrscheinlich zu Hause behandelt werden konnte, falls es nicht zu postnatalen Komplikationen kam. Die Infektion, die das Fieber hervorrief, konnte mit Antibiotika behandelt werden. Die Kopfverletzung, die zur Gehirnerschütterung und zum Delirium geführt hatte, würde durch viel Ruhe verheilen. Sie wandten noch ein, dass sie im Krankenhaus mehr Ruhe bekäme als zu Hause, wo sie die Kinder um sich habe, aber Len wollte nichts davon hören, also kapitulierten sie.
Das Baby hingegen war ein ganz anderer Fall. Es war noch nicht gewogen worden, aber meiner Schätzung, dass es zwischen anderthalb und zwei Pfund schwer sein musste, pflichtete man bei. Alle waren der Meinung, dass ein in der achtundzwanzigsten Woche geborenes Baby kaum lebensfähig sei und dass ein Kind in diesem Entwicklungsstadium unbedingt im Krankenhaus mit der modernsten technischen Ausstattung behandelt und rund um die Uhr versorgt werden müsse. Sie empfahlen, es sofort in die Kinderklinik an der Great Ormond Street zu verlegen. Len schien noch zu zögern, aber als sie ihm sagten, dass das Baby ohne eine solche Behandlung sterbe, stimmte er bereitwillig zu.
Wir gingen zusammen hinauf ins Schlafzimmer. Ich weiß nicht, was die Krankenhausärzte sich dachten, als sie sich an all den Kinderwagen im Flur vorbeidrücken und sich einen Weg durch die Wäsche bahnen mussten, die ihnen
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