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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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um alles zur Überwachung der Bluttransfusion in die Wege zu leiten.
    Conchita verlor nicht noch mehr Blut. Nach der Transfusion kehrte die Farbe in ihr Gesicht zurück und auch Len sah wieder besser aus. Sie war noch schwach, aber sie war außer Gefahr. Das Baby ruhte Tag und Nacht auf ihrer Brust und wurde jede halbe Stunde auf die beschriebene Weise gefüttert. Sämtliche Schwestern und Angehörigen des Nonnatus House kamen die beiden besuchen, weil es so ein wunderbares und außergewöhnliches Bild war. Am vierten Tag wog ich das Baby in einem Taschentuch. Es war 780 g schwer.
    Drei Wochen später begann Conchita ab und zu für kurze Zeit aufzustehen. Ich hatte vorausgedacht und mich gefragt, was dann wohl mit dem Baby geschehe. Offenbar hatte auch Conchita vorausgedacht und genau gewusst, was zu tun war. Sie hatte Liz gebeten, von ihrer Schneiderei einige Meter feinste, ungebleichte Seide mitzubringen. Mit der Hilfe ihrer geschickten Ältesten legte sie sich eine Art Schlinge oder feste Bluse um Schultern und Brust, die unten eng anlag und oben locker war. Darin trug sie während der nächsten fünf Monate das Baby zwischen ihren Brüsten und legte es nie ab.
    Wer hatte ihr das beigebracht? Weder davor noch seither habe ich etwas über diese Methode der Versorgung frühgeborener Babys gehört. Handelte sie aus purem Mutterinstinkt heraus? Ich erinnerte mich an die Entbindung und an ihre übermenschliche Kraftanstrengung, als man versuchte, ihr das Baby abzunehmen. Ich hatte den Eindruck, dass sie damals angestrengt nachdachte und versuchte, sich an etwas zu erinnern; und dann die plötzliche Klarheit in ihrer Stimme, als sie voller Überzeugung sagte: »No morirá.«
    Hatte sie sich daran erinnert, wie sie einmal in Spanien eine Bäuerin oder Zigeunerin gesehen hatte, die ein winziges, frühgeborenes Baby auf diese Weise bei sich trug, als sie noch ein Kind war? War diese flüchtige Erinnerung an eine fast vergessene Zeit der Grund für ihre Überzeugung, dass das Baby nicht sterben würde?
    Einige Jahre später, als ich als Nachtschwester im Elizabeth Garrett Anderson Hospital in Euston arbeitete, sorgte ich für einige Babys, die ähnlich früh geboren worden waren und etwa das gleiche Gewicht hatten. Sie wurden alle in Inkubatoren gelegt und ich kann mich an keinen Todesfall erinnern. Das Krankenhauspersonal war stolz auf die exzellente moderne Versorgung, die die Babys am Leben hielt. Im Inkubator sind die Babys Tag und Nacht allein und liegen in der Regel bei heller Beleuchtung auf einer geraden, festen Unterlage. Nur mit Händen und medizinischen Geräten kommen sie in Kontakt. Ihre Nahrung ist in der Regel Kuhmilch aus Milchpulver. Conchitas kleiner Junge war nie allein. Er spürte die Wärme, die Berührungen, die Weichheit, den Geruch und den Schweiß seiner Mutter. Er hörte ihren Herzschlag und ihre Stimme. Er bekam ihre Milch. Vor allem jedoch erreichte ihn ihre Liebe.
    Heute wäre ihrer Weigerung, ihr Baby ins Krankenhaus einzuweisen, per Gerichtsbeschluss widersprochen worden, in dem Glauben, dass nur ausgebildete Kräfte mithilfe modernster Technik ein Frühchen angemessen versorgen können. In den 1950er-Jahren nahmen wir weniger Einfluss auf die Familie und respektierten das Verantwortungsbewusstsein der Eltern. Ich muss aus all dem schließen, dass die moderne Medizin nicht allwissend ist.
    Conchita hatte zugegebenermaßen viel Glück. Die Geschwindigkeit, mit der das Baby geboren wurde, hätte leicht sein Gehirn schädigen können, aber das ist nicht geschehen. Abgesehen davon liegt bei Frühgeburten ein großes Gefahrenpotenzial in den noch nicht voll ausgereiften Organen des Babys. Das betrifft vor allem Lunge und Leber. In den ersten Monaten entwickelte das Baby mehrfach eine ausgeprägte Gelbsucht, die aber jedes Mal wieder vorbeiging. Nachdem ich es gedankenlos in einer Nierenschale zurückgelassen hatte, war es ein Wunder, dass seine Lungen nicht völlig oder auch nur zum Teil kollabierten. Das ist nichts, was mir zum Ruhm gereicht. Die entscheidende Tatsache ist jedoch, dass er zu atmen begann. Gerne möchte ich glauben, dass ich ihm, indem ich mit dem Finger auf seinen zerbrechlichen, kleinen Rücken klopfte, seinen ersten Atemzug erleichterte. Seiner Mutter rieten wir, nach jedem Füttern das Gleiche zu tun, denn wenn Flüssigkeit in die Luftröhre gelangt, können Frühgeborene noch nicht husten, wie es ein voll ausgetragenes Baby tut. Außerdem gaben wir ihr einen feinen Absauger

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