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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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Abstoßendes an sich. Bei Mrs Jenkins war es noch schlimmer. Ich fand sie widerlich. Sie war etwa siebzig Jahre alt, winzig und krumm und ihre schwarzen Augen durchbohrten mich geradezu und wischten jeden angenehmen Gedanken ans Mittagessen beiseite. Sie war hässlich und hatte keine Zähne und in meiner arroganten Art nahm ich nur ihre verdreckten, klauenartigen Finger wahr, die meinen Arm hinunterkrochen, bis sie meinen Handgelenken unangenehm nahe kamen. Ich richtete mich zu voller Größe auf und wurde so fast doppelt so groß wie sie. Dann sagte ich in kühlem, sachlichem Ton: »Mrs Smith ist von einem gesunden kleinen Jungen entbunden worden. Mutter und Baby sind beide wohlauf. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich muss los.«
    »Gott sei Dank«, sagte sie und ließ meinen Ärmel und mein Fahrrad los. Sonst sagte sie nichts.
    Verrückte alte Schachtel, dachte ich verärgert, als ich losfuhr. Man sollte sie überhaupt nicht mehr rauslassen.
    Erst ein knappes Jahr später, als ich in der Bezirkskrankenpflege arbeitete, erfuhr ich mehr über Mrs Jenkins … und lernte, etwas demütiger zu sein.

Chummy
    Als ich Camilla Fortescue-Cholmeley-Browne (»nennt mich einfach Chummy«) zum ersten Mal begegnete, dachte ich, sie sei ein Kerl in Frauenklamotten. Sie war 1,89 Meter groß, hatte Schultern wie ein Rugbystürmer und Schuhgröße 45 ½. Ihre Eltern hatten ein Vermögen dafür ausgegeben, sie femininer auftreten zu lassen, doch die Wirkung war gleich null.
    Chummy und ich waren beide neu im Haus. Sie erschien am Morgen nach dem denkwürdigen Abend, an dem ich mit Schwester Monica Joan den für zwölf Esser bestimmten Kuchen weggeputzt hatte. Cynthia, Trixie und ich kamen gerade nach dem Frühstück aus der Küche, als es an der Haustür läutete und ein Riese im Rock eintrat. Sie blinzelte kurzsichtig hinter dicken, stahlgeränderten Brillengläsern hervor und auf uns nieder und sagte in überaus geschraubtem Tonfall: »Ist dies hier Nonnatus House?«
    Trixie, die ein loses Mundwerk hatte, sah durch die Tür auf die Straße hinaus. »Ist da jemand?«, rief sie und kam wieder zurück in die Eingangshalle, wo sie gegen die Unbekannte prallte.
    »Oh, Verzeihung, ich hatte dich gar nicht bemerkt«, sagte sie und verschwand in Richtung des Pflegearbeitsraums.
    Cynthia machte einen Schritt auf sie zu und begrüßte die Frau mit der gleichen herzlichen Wärme und Freundlichkeit, die mich am Abend zuvor davon abgehalten hatte, gleich wieder zu verschwinden. »Du bist sicher Camilla.«
    »Ach, nennt mich einfach Chummy.«
    »Gut, Chummy, dann komm rein, wir suchen gleich Schwester Julienne. Hast du schon gefrühstückt? Ich bin mir sicher, dass Mrs B. noch was für dich findet.«
    Chummy griff sich ihren Koffer, machte zwei Schritte und stolperte über die Fußmatte. »Ach Gottchen, was bin ich für ein Tollpatsch«, sagte sie mit einem mädchenhaften Kichern. Sie bückte sich, um die Fußmatte wieder geradezuziehen, kollidierte mit dem Garderobenständer und räumte zwei Mäntel und drei Hüte ab.
    »Tut mir ganz schrecklich leid. Ich hebe sie gleich auf«, doch Cynthia hatte sie sich schon geschnappt, um Schlimmeres zu vermeiden.
    »Oh, danke, altes Haus«, sagte Chummy mit einem trockenen Lachen.
    War das echt oder tut sie nur so?, dachte ich. Doch ihre Stimme war völlig echt und veränderte sich nie, auch nicht ihre Ausdrucksweise. Immer hieß es »feine Sache« oder »alles in Butter« oder »Wie stehts?«, und so seltsam es angesichts ihrer enormen Größe war, ihre Stimme blieb stets weich und zart. Ja, mir fiel mit der Zeit sogar auf, dass alles an Chummy weich und zart war. Trotz ihrer Erscheinung hatte sie nichts Bulliges an sich. Sie hatte den Charakter eines sanften, ungekünstelten Mädchens, unsicher und schüchtern. Außerdem war ihr auf mitleiderregende Art daran gelegen, dass man sie mochte.
    Die Fortescue-Cholmeley-Brownes gehörten zu den angesehensten Familien der Oberschicht. Chummys Ururgroßvater war in den 1820er-Jahren in den indischen Verwaltungsapparat eingetreten; eine Tradition, die Generationen überdauern sollte. Ihr Vater war Gouverneur von Rajasthan (einem Gebiet so groß wie Wales), wo er sich noch in den 1950er-Jahren zu Pferd fortbewegte. All das erfuhren wir durch die Fotos, die in Chummys Zimmer hingen. Sie war neben sechs Brüdern das einzige Mädchen, doch unglücklicherweise etwa zwei Zentimeter größer als der Rest der Familie.
    Alle Kinder waren in England zur

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