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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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Expertinnen in Schulwissen lebten in einer ganz anderen Welt, in der es keine dummen jungen Frauen gab, die das Milchpulver verwechselten, die falsche Menge nahmen, das Wasser nicht abkochten, unfähig waren, die Fläschchen und Sauger zu sterilisieren oder die Flaschen auch nur auszuwaschen. Theoretiker konnten sich nicht vorstellen, dass jemand eine halb leere Flasche vierundzwanzig Stunden liegen ließ und dann dem Baby gab, oder dass ein Fläschchen über den Boden rollte, wo Katzenhaare und anderer Dreck an ihm hängen blieben. Unsere Dozentinnen erwähnten nie die Möglichkeit, dass das Milchpulver mit etwas anderem versetzt sein konnte, etwa Zucker, Honig, Reis, Sirup, Kondensmilch, Grieß, Alkohol, Aspirin, Getränkepulver oder Ovomaltine. So etwas war den Verfassern der Lehrbücher womöglich nie untergekommen. Doch die Nonnen des Heiligen Nonnatus hatten es oft genug erlebt.
    Edith und ihr Baby wirkten glücklich und zufrieden, also wollte ich sie nicht weiter stören. Ich sagte, dass wir am nächsten Tag wieder vorbeikämen, um das Baby zu wiegen und sie zu untersuchen.
    Ich musste jetzt noch eine Patientin besuchen: Molly Pearce, ein neunzehn Jahre altes Mädchen, das ihr drittes Baby erwartete und seit drei Monaten nicht zur Vorsorgesprechstunde erschienen war. Da der Geburtstermin näher rückte, mussten wir nachsehen, wie es um sie stand.
    Als ich mich der Tür näherte, hörte ich hinter ihr Lärm. Es klang wie ein Streit. Ich hatte schon immer eine heftige Abneigung gegen jede Art von Streit oder Kampf, und so wich ich instinktiv zurück. Doch ich hatte eine Aufgabe, also klopfte ich an. Sofort herrschte Stille. Es blieb ein paar Minuten lang ruhig und die Stille wurde bedrohlicher als der Lärm zuvor. Wieder klopfte ich. Immer noch Ruhe, dann wurde ein Riegel zurückgeschoben und ein Schlüssel drehte sich im Schloss – es war eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen ich im East End eine Tür verschlossen vorgefunden habe.
    Das unrasierte Gesicht eines mürrischen Mannes starrte mich argwöhnisch durch den Türspalt an. Dann stieß er einen obszönen Fluch aus, spuckte mir vor die Füße und machte sich über die Galerie in Richtung der nächsten Treppe davon. Das Mädchen kam zur Tür. Molly sah mit ihren roten Wangen erhitzt aus und keuchte leicht. »Keiner vermisst dich!«, rief sie dem Mann hinterher und trat gegen den Türrahmen.
    Man sah ihr an, dass sie im neunten Monat war, und ich musste daran denken, dass ein solch heftiger Streit Wehen auslösen konnte, besonders wenn Gewalt im Spiel war. Doch dafür gab es noch keine Anzeichen. Ich bat sie, sich untersuchen zu lassen, da sie nicht zur Vorsorgesprechstunde gekommen war. Zögerlich stimmte sie zu und ließ mich in die Wohnung.
    Der Gestank warf mich fast um. Es war eine üble Mischung aus Schweiß, Urin, Kot, Zigaretten, Alkohol, Heizöl, abgestandenem Essen, saurer Milch und ungewaschenen Kleidern. Molly ließ ihre Wohnung offenbar völlig verkommen. Fast alle Frauen, die ich kennenlernte, waren stolz auf sich und ihre Wohnungen und gaben sich größte Mühe. Doch Molly war anders. Sie hatte keine Ader dafür, sich ein Nest zu schaffen.
    Sie führte mich ins Schlafzimmer, wo es dunkel war. Das Bett war völlig verdreckt. Es gab kein Bettzeug, nur eine nackte Matratze und Kissen ohne Bezüge. Ein paar graue Decken aus Armeebeständen lagen auf dem Bett und eine hölzerne Wiege stand in der Ecke. Das ist kein Ort für eine Entbindung, dachte ich sofort. Einige Monate zuvor hatte eine Hebamme die Wohnung noch als ausreichend eingestuft, doch seitdem waren die häuslichen Verhältnisse offenbar dramatisch ins Wanken geraten. Ich musste es den Schwestern melden.
    Ich bat Molly, ihre Kleidung zu lockern und sich hinzulegen. Dabei fiel mir ein großer blauer Fleck auf ihrem Brustkorb auf. Ich fragte, was passiert sei. Sie knurrte und deutete mit dem Kopf in Richtung der Tür: »Er«, sagte sie und spuckte auf den Boden. Vielleicht hat sie mein unerwartetes Eintreffen ja vor dem nächsten Schlag bewahrt, dachte ich.
    Ich untersuchte sie. Der Kopf des Babys lag schön weit unten, die Lage schien normal und ich konnte spüren, wie es sich bewegte. Ich horchte das Herz des Fötus ab. Es hatte einen gleichmäßigen Puls von 126 Schlägen pro Minute. Allen Umständen zum Trotz schienen Mutter und Baby in normalem, gesundem Zustand zu sein.
    Erst dann bemerkte ich die Kinder. Ich hörte aus einer Ecke des dunklen Schlafzimmers ein Geräusch und fuhr

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