Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End
gebeugt und das möchte ich erreichen. Wenn ich es etwa dreißig Sekunden so lasse, reicht es. Und dem Baby schadet es nicht.«
Dann hielt sie das Baby wieder fest. Ich muss sagen, dass ich erleichtert war. Eine Wehe kam.
»Jetzt pressen, Betty, so fest du kannst.«
Betty presste, aber der Kopf bewegte sich nicht weiter nach unten. Schwester Bernadette und Dr. Turner waren sich einig, dass er bei der nächsten Wehe auf das Schambein drücken sollte und, falls das nicht den gewünschten Effekt brachte, der Kopf mithilfe einer Geburtszange zur Welt gebracht werden müsse.
Schwester Bernadette erklärte mir: »Das machen wir, weil die Nabelschnur zwischen Kopf und Beckenknochen eingeklemmt wird. Im Moment geht es dem Baby gut, doch wenn es zu lange dauert, also mehr als ein paar Minuten, dann gibt es ein klares Risiko, dass es ersticken könnte.«
Meine Finger verkrampften sich vor Schreck, aber Schwester Bernadette blieb völlig ruhig. Die nächste Wehe kam und der Arzt legte beide Hände auf Bettys Bauch, genau über dem Schambein, und begann fest zu drücken. Betty stöhnte vor Schmerz, aber man sah deutlich, wie der Kopf sich bewegte.
»Ich werde nun den Veit-Smellie-Handgriff anwenden, um den Kopf herauszuziehen«, erklärte mir die Schwester. Sie ließ das Baby wieder hängen, ohne es abzustützen. Mein Herz schlug bis zum Hals.
»Wenn alles klappt, werden wir mit der nächsten Wehe so weit sein, dass die Atemwege freiliegen und das Baby atmen kann. Ich setze gleich mein Sims-Vaginalspekulum ein, also halten Sie sich bereit, es mir zu geben, wenn ich es brauche.«
Ich schaute nach, wo auf ihrem Tablett das Sims-Spekulum lag. Meine Hände zitterten so sehr, dass ich mir einen fürchterlichen Moment lang vorstellte, wie ich das ganze Tablett umwarf oder das »Sims« auf den Boden fallen ließ.
Die nächste Wehe kam, der Arzt drückte wieder auf Bettys Unterbauch. Schwester Bernadette legte ihre rechte Hand auf die Schultern des Babys und schob die Finger ihrer linken Hand in die Scheide. Ich sah, wie sie die Finger bewegte und nach etwas tastete. Das Baby lag auf ihrem Unterarm.
»Ich versuche meinen Zeigefinger in den Mund des Babys zu schieben, um die Beugung des Kopfes aufrechtzuerhalten, sodass Mund und Nase die ersten Teile des Kopfes sein werden, die an die Luft kommen. Man darf auf keinen Fall ziehen. Denken Sie daran, wenn Sie diese Entbindungsmethode anwenden, Schwester. Wenn Sie zu ziehen versuchen, riskieren Sie, dass Sie den Unterkiefer ausrenken.«
Mir war schlecht vor Angst und ich konnte nur Gott bitten, dass ich nie eine Beckenendlage entbinden musste. Ich sah, wie Schwester Bernadette mit ihrer rechten Hand etwas am Hinterkopf manipulierte. Sie erklärte: »Ich drücke einfach nur aufwärts gegen den Vorsprung des Hinterhauptbeins, um den Schädel noch stärker zu beugen. Noch etwas mehr Druck, bitte, Doktor, wenn möglich, dann sind die Atemwege glaube ich gleich frei. So, sehr schön. Das Sims nun bitte, Schwester.«
Ich musste mein Handgelenk mit meiner anderen Hand umfassen, so sehr zitterte ich. Ich dachte nur: Bloß nicht fallen lassen, bloß nicht fallen lassen. So groß war meine Erleichterung, als ich es ihr gegeben hatte, dass ich fast lachen musste.
Doch es gab noch mehr zu sehen.
Das Kinn des Babys hatte nun den Damm erreicht. Schwester Bernadette führte das Spekulum vorsichtig in die Vagina ein und schob dabei die Scheidenhinterwand nach hinten, fast wie beim Gebrauch eines Schuhlöffels, sodass Nase und Mund des Babys freilagen. Sie bat um einen Wattebausch, den ich ihr gab, und sie säuberte Nase und Mund des Babys von Schleim.
»Jetzt kann sie atmen und ist nicht mehr abhängig von der Blutversorgung über die Plazenta.«
Ich war erstaunt, zuerst ein Seufzen und dann einen winzigen Schrei zu hören. Man konnte noch nichts vom Gesicht des Babys sehen und doch war seine Stimme schon zu hören.
»Das wollte ich hören«, sagte Schwester Bernadette. »Hast du’s gehört, Betty?«
»Ja klar. Gehts ihr denn gut, dem armen kleinen Ding? Sie macht wohl genauso viel mit wie ich.«
»Ja. Dein Baby ist nun sicher und mit der nächsten Wehe wird es geboren, das kann ich dir versichern. Ich glaube, du hast einen Dammriss, aber ich kann es nicht sehen, denn er liegt hinter dem Spekulum, und ich kann auch nichts ändern, denn wenn ich das Spekulum herausziehe, bekommt dein Baby keine Luft mehr.«
Die nächste Wehe kam. Jetzt ist es geschafft, dachte ich erleichtert. Die Geburt
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