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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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garantiert eine Menge neuer Mädchen kennen und ich hatte Freude an ihrer Gesellschaft, ohne mich zu irgendetwas zu verpflichten.
    Als ich jung war, hatte ich nie einen Freund. Das lag (hoffe ich) nicht daran, dass ich unattraktiv oder langweilig oder geschlechtslos gewirkt hätte, sondern daran, dass ich so sehr in einen Mann verliebt war, den ich nicht haben konnte, weswegen mich mehr oder weniger ständig Liebeskummer plagte. Aus diesem Grund konnte kein anderes männliches Wesen auch nur das leiseste romantische Interesse in mir wecken. Ich genoss die Gesellschaft und die Unterhaltungen mit meinen Freunden und ihr lebhaftes und offenes Wesen, doch allein den Gedanken an eine körperliche Beziehung zu einem anderen Mann als zu dem, den ich liebte, fand ich abstoßend. Daher hatte ich eine Menge Freunde und war sogar sehr beliebt bei den Jungs. Nach meiner Erfahrung erregt nichts das Interesse eines jungen Mannes so sehr wie die Herausforderung, dass ein hübsches Mädchen aus unerfindlichen Gründen gerade nicht das Sexsymbol des Jahrhunderts in ihm sieht!
    Donnerstagabend war gekommen. Es war schön, sich zur Abwechslung mal in Richtung Westen aufzumachen. Das Leben mit den Schwestern und die Arbeit im East End hatten mich völlig unerwartet so sehr eingenommen, dass es mich nicht reizte, irgendwo anders meine Zeit zu verbringen. Doch der Gelegenheit, sich herauszuputzen, war nicht zu widerstehen. In den 1950er-Jahren kleidete man sich ziemlich formell. Lange Röcke, die am Saum nach außen hin weiter wurden, waren in Mode. Je enger die Taille und je strammer der Bund, desto besser. Ein bequemer Sitz spielte keine Rolle. Nylonstrümpfe waren noch eine relative Neuheit und sie hatten eine Naht, die vorschriftsmäßig gerade entlang der Rückseite des Beins verlaufen musste. Überall hörte man besorgte Mädchen ihren Freundinnen zuflüstern: »Sitzen meine Nähte gerade?« Die Schuhe waren mörderisch und hatten 13 bis 15 Zentimeter hohe Pfennigabsätze mit Stahlkappen und schmerzhaft enge Spitzen. Das Gerücht ging um, dass sich Barbara Goulden, das Topmodel der damaligen Zeit, die kleinen Zehen hatte amputieren lassen, um ihre Füße in solche Schuhe hineinquetschen zu können. Wie alle anderen feschen Mädels stakste ich damals in diesen verrückten Schuhen quer durch London, mit etwas anderem brauchte man mir gar nicht erst zu kommen.
    Sorgfältig aufgetragenes Make-up, Hütchen, Handschuhe, Handtasche und schon war ich bereit.
    Damals reichte das U-Bahn-Netz nur bis Aldgate, also musste ich den Bus über die East India Dock Road und die Commercial Road nehmen, um dann in die Bahn umzusteigen. Ich habe es immer schon geliebt, oben im Doppeldeckerbus ganz vorne zu sitzen, und bis heute bleibe ich dabei, dass kein anderes Transportmittel, wie teuer und luxuriös auch immer, ihm in Sachen Ausblick, Übersicht und entspannte Fortbewegung das Wasser reichen kann. Man hat unglaublich viel Zeit, die vorbeiziehende Szenerie zu betrachten, und man sitzt hoch über allem und jedem. Mein Bus tuckerte also gemütlich seine Strecke entlang, während meine Gedanken zu Jimmy und seinen Freunden schweiften und zu der Episode, wie ich bei meiner Krankenpflegeausbildung fast rausgeflogen wäre, hätte man mich ertappt.
    Die Hierarchie war damals sehr streng und das Verhalten wurde selbst außerhalb der Dienstzeit strikt überwacht. Von gesellschaftlichen Anlässen abgesehen war Jungs der Aufenthalt im Schwesternwohnheim strengstens verboten. Ich kann mich an einen Sonntagabend erinnern, an dem ein junger Mann seine Freundin abholen wollte. Er nannte den Namen des Mädchens, die Schwester ging ihr Bescheid sagen und sie ließ währenddessen die Haustür offen. Es regnete stark, also trat der junge Mann einen Schritt weit über die Schwelle und wartete auf der Fußmatte. Da geschah es, dass just in diesem Moment die Leiterin des Wohnheims vorbeikam. Sie blieb sogleich wie angewurzelt stehen und starrte ihn an. Dann richtete sie sich zu ihren vollen 1,48 Metern Körpergröße auf und sagte: »Junger Mann, wie können Sie es wagen, ein Schwesternwohnheim zu betreten. Gehen Sie bitte nach draußen – aber sofort.«
    Diese Krankenschwestern der alten Schule konnten so einschüchternd wirken und ihre Autorität war so umfassend, dass der junge Mann brav wieder nach draußen ging und sich in den Regen stellte, worauf die Schwester die Tür schloss.
    Die Geschichte mit Jimmy und Mike hätte mit Sicherheit meinen sofortigen Ausschluss

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