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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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bei einem solchen Aufstieg die Haare zu Berge gestanden, doch gestärkt durch mehrere Biere bereitete er den Jungs keine Probleme und voller Begeisterung betraten sie den Trockenraum. Sie umarmten und küssten mich und nannten mich einen »Pfundskerl«.
    Ich sagte: »Ich wüsste nicht, warum ihr nicht hier schlafen könntet, aber kommt nicht vor zehn Uhr abends, und morgens müsst ihr vor sechs Uhr wieder weg sein, damit euch keiner sieht. Außerdem müsst ihr euch still verhalten, denn wenn man euch findet, gibts Ärger.«
    Niemand hat je etwas davon erfahren, sie wohnten etwa drei Monate lang im Trockenraum des Wohnheims. Wie sie mitten im Winter morgens um sechs die Feuerleiter bewältigten, werde ich nie erfahren, aber wenn man jung ist und vor Lebenskraft strotzt, kennt man keine Probleme.
    Die Durchsage »Aldgate Ost – alles aussteigen, bitte« weckte mich aus meinen Tagträumen. Ich ging hinüber in das vertraute Pub. Es war einer dieser herrlichen Juniabende, an denen es ewig lang hell bleibt – einer dieser Abende, die glücklich machen. Die Luft war warm, die Sonne schien, die Vögel sangen. Das Leben war schön. Im Pub dagegen war es düster. Sonst war es unser Lieblingslokal. An diesem Abend gab es zwar das richtige Bier zur rechten Zeit mit den richtigen Freunden, doch irgendwie war es der falsche Ort. Wir plauderten ein wenig, tranken ein paar Gläser, aber ich glaube, wir fühlten uns alle ein wenig unruhig.
    Plötzlich rief jemand: »Hey! Kommt, wir fahren alle auf ein Mitternachtsbad nach Brighton!«
    Ein Chor der allgemeinen Zustimmung erscholl.
    »Ich gehe Lady Chatterley holen.«
    So hieß das gemeinsame Auto. Wer erinnert sich wohl heute noch an den Wirbel um die bevorstehende Veröffentlichung von Lady Chatterley’s Lover , das D. H. Lawrence in den 1920er-Jahren verfasst hatte, oder an das Gerichtsverfahren gegen den Verlag, der beschuldigt wurde, eine »obszöne Publikation« verbreiten zu wollen? Alles, was in dem Buch passiert, ist, dass die Dame des Hauses eine Affäre mit dem Gärtner hat, doch der Fall kam bis vor den höchsten Gerichtshof und von einem besonders aufgeblasenen Kronanwalt ist überliefert, dass er zu einem Zeugen sagte: »Ist das etwa die Sorte Bücher, die Sie Ihren Dienern zu lesen erlauben würden?«
    Anschließend wurde »Lady Chatterley« zum Synonym für verbotene Freuden, das Buch wurde millionenfach verkauft und machte den Verlag reich.
    Lady Chatterley war keine Familienkutsche, sondern ein ausgemustertes Londoner Taxi aus den 1920er-Jahren. Sie war wunderbar, riesengroß und erreichte gelegentlich Geschwindigkeiten von bis zu 64 Kilometern pro Stunde. Der Motor musste mithilfe einer Kurbel zum Leben erweckt werden, die unter dem eleganten Kühlergrill angesetzt wurde. Dazu war erhebliche Muskelkraft nötig, die Jungs wechselten sich mit dem Kurbeln ab. Wenn man an den Motor wollte, ließ sich die Haube seitwärts öffnen und teilte sich dabei in zwei riesige Käferflügel. Vier stattliche Kutschenlaternen erstrahlten auf beiden Seiten des gerillten Kühlergrills. Auf beiden Seiten gab es Trittbretter. Die Räder hatten Speichen. Das geräumige Innere roch nach feinstem Leder, poliertem Holz und Messing. Sie war ihr ganzer Stolz. Die Jungs parkten sie in einer Garage irgendwo in Marylebone und opferten all ihre Freizeit, um ihren gebrechlichen alten Motor am Leben zu halten und ihre majestätische Gestalt herauszuputzen.
    Doch das war noch nicht alles. Sie hatten kleine Schornsteine angebracht und Blumenkästen aufgehängt. Die Fenster hatten Gardinen, mit der Folge, dass der Fahrer durch die Heckscheibe nichts sehen konnte, aber um solche Kleinigkeiten sorgte sich niemand. Außerdem verfügte das Auto über Türklopfer aus Messing und Briefkästen. Ihr Name prangte in Goldfarbe quer über der Motorhaube und ein Hinweis am Heck mahnte: » LACHEN SIE NICHT, MADAME, VIELLEICHT SITZT JA IHRE TOCHTER DRIN .«
    Sie fuhr vor dem Pub vor und alle kamen nach draußen, um sie zu bewundern. Ein paar der zunächst Begeisterten hatten es sich anders überlegt, aber schließlich bestiegen etwa fünfzehn Personen Lady Chatterley und unter Gejohle setzte sie sich in Bewegung und tuckerte mit stetigen 40 Kilometern pro Stunde die Marylebone High Street hinunter. Der Abend war wunderbar, warm und windstill. Die sinkende Sonne wirkte, als wollte sie niemals ganz untergehen, denn es war schon neun Uhr. Der Plan sah ein Mitternachtsbad in Brighton in der Nähe des West Piers vor,

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