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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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einundzwanzigsten Jahrhundert und den 1950er-Jahren ist, dass die Kinder, die man damals Anschaffen schickte, um die vierzehn Jahre alt waren. Heute ist das Alter bis auf zehn Jahre gesunken.
    Marys Fernfahrer war zu den Royal Albert Docks unterwegs und hatte sie daher auf der Commercial Road abgesetzt. Sie erzählte mir: »Ich fühlte mich schrecklich einsam, so einsam wie noch nie zuvor. In Irland war ich beim Schmieden meiner Londonpläne ganz aufgeregt. Die Reise war spannend, denn ich fuhr ja in die wunderschöne Stadt London, und ich fühlte mich nicht einsam, denn mein Kopf war voller Träume. Als ich aber hier ankam, wusste ich nicht, was ich tun sollte.«
    Wer hat gesagt: »’s ist besser, voll Hoffnung zu reisen, als schließlich anzukommen«? Ich wage zu sagen, dass wir alle schon einmal auf die eine oder andere Weise etwas Ähnliches erlebt haben.
    Mary ging in einen kleinen Laden, kaufte sich eine Tafel Schokolade und aß sie, während sie die belebte Straße hinunterschlenderte. Damals galten die Commercial Road und die East India Dock Road als die belebtesten Straßen Europas, denn der Londoner Hafen war der verkehrsreichste Hafen Europas. Der unablässige Strom der Lastwagen verwirrte und ängstigte sie. Im Vergleich dazu war Dublin so ruhig wie ein Dorf. Das grelle Geheul einer Sirene ließ sie zusammenfahren, dann sah sie, wie Tausende von Männern aus den Toren der Docks strömten. Sie drückte sich in einen Hauseingang, als sie vorbeigingen und plauderten, lachten, sich neckten, riefen und miteinander unterhielten. Doch keiner sprach die schüchterne, kleine Person im Hauseingang an. Man darf bezweifeln, dass sie überhaupt jemand wahrnahm. Sie sagte: »Ich musste vor Einsamkeit fast weinen. Ich wollte laut rufen: ›Ich bin hier, gleich neben euch. Kommt her und sagt Hallo. Ich bin von weit her gekommen, nur um hier zu sein.«
    Da ihr die Commercial Road nicht sonderlich gefiel, bog sie in eine Seitenstraße ein, wo sie Kinder spielen sah. Sie war selbst kaum mehr als ein Kind, aber sie luden sie nicht zum Mitspielen ein. Sie ging weiter, bis sie den Kanal erreichte, der damals »the Cuts« hieß und unter der Stinkhouse Bridge hindurch bis zu den Docks verlief. Es war schön, an der Brücke zu stehen und dem dahinströmenden Wasser zuzusehen, und sie stand lange dort und beobachtete, wie eine Wasserratte in ihrem Loch ein und aus ging, bis die Schatten allmählich länger wurden.
    »Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Es war nicht kalt, denn es war ja Sommer, und ich hatte keinen Hunger, denn der nette Fernfahrer hatte mir Würstchen mit Fritten gekauft. Aber ich fühlte mich innen drin so leer und sehnte mich so sehr nach jemandem, der mit mir redete, dass mir fast schlecht wurde.«
    Als die Nacht anbrach, hatte sie keinen Schlafplatz und auch nicht genug Geld, um sich eine Übernachtung leisten zu können. Sie hatte schon viele Nächte im Freien verbracht und daher bereitete ihr diese Aussicht keine Sorgen. Damals gab es im East End noch überall Trümmergelände und sie fand eines, das ihr zum Schlafen geeignet schien. Es war jedoch eine schlechte Wahl.
    »In der Nacht weckte mich schrecklicher Lärm. Männer schrien, stritten und fluchten. Im Mondlicht sah ich Messer und andere Gegenstände blitzen. Ich kroch tiefer in mein Loch und versteckte mich unter ein paar stinkenden Säcken. Ich blieb still, ganz still und hielt die Luft an. Dann hörte ich die Pfeifen der Polizisten und Hundegebell. Ich hatte Angst, dass mich die Hunde wittern, aber es geschah nichts. Vielleicht stanken die Säcke, unter denen ich lag, so übel, dass sie nichts anderes rochen.«
    Sie kicherte. Ich nicht. Ich war zu betroffen, um lachen zu können.
    Sie war offenbar auf ein Trümmergelände geraten, wo sich regelmäßig die Säufer aufhielten. Nachdem die Polizei den Platz geräumt hatte, kroch Mary heraus und verbrachte den Rest der Nacht am Kanal.
    Den nächsten Tag brachte sie auf ähnliche Weise zu wie den ersten und lief in Stepney ziellos auf der Commercial Road umher.
    »Da waren eine Menge Busse und ich fragte mich, ob ich einsteigen und anderswohin fahren sollte, denn da, wo ich war, gefiel es mir nicht. Aber da standen nur Orte wie Wapping und Barking, Mile End und Kings Cross vorne drauf und ich wusste nicht, wo das war. Ich wollte doch nach London und der Fernfahrer sagte, das hier sei London, als er mich absetzte, also bin ich in keinen Bus gestiegen, denn ich wusste ja nicht, was das für

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