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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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es die Zeit des Großen Schweigens, also sagte keine auch nur ein Wort. Ich ging auf Schwester Julienne zu und erzählte ihr genau, was geschehen war. Sie sagte nichts, aber in ihren Augen las ich, dass sie verstand. Die Nonnen zogen in schweigender Prozession an mir vorbei, ich ging zurück ins Bett und stellte den Wecker auf halb acht.
    Um acht Uhr ging ich zu Schwester Julienne ins Büro.
    »Ich habe mit Vater Joe vom Church House am Wellclose Square gesprochen«, sagte sie. »Sie werden das Mädchen aufnehmen und sich um sie kümmern. Ich habe einmal vorsichtig ins Wohnzimmer geschaut. Sie schläft tief und fest und wird wahrscheinlich bis Mittag weiterschlafen. Wenn sie aufwacht, bringen wir ihr ein Frühstück und begleiten sie dann zum Church House . Gehen Sie jetzt frühstücken und kümmern Sie sich dann um Ihre Aufgaben.«
    Ihre Augen strahlten mich an, dann fügte sie hinzu: »Sie hätten gar nichts anderes tun können, meine Liebe.«
    Wieder einmal war ich beeindruckt von der Freundlichkeit und der geistigen Beweglichkeit der Schwestern, im Vergleich zu der starren Unflexibilität der Krankenhausstrukturen, in denen ich gearbeitet hatte. Hätte ich jemanden ohne Erlaubnis für eine Nacht in einem Schwesternwohnheim untergebracht, wäre der Teufel los gewesen, ganz einfach weil es gegen die Regeln verstieß.
    Mary wachte erst gegen vier Uhr nachmittags auf. Zu dieser Zeit tranken wir immer einen Tee und wendeten uns dann der abendlichen Arbeit zu, daher blieb mir nicht viel Zeit mit ihr, bis ich wieder aufbrechen musste. Schwester Julienne hatte ihr etwas Tee, Brot und Butter gebracht, wovon sie gerade aß, als ich ins Zimmer kam. Schwester Julienne erklärte ihr gerade, dass sie nicht im Nonnatus House bleiben konnte, aber in einem Haus aufgenommen werde, wo sie willkommen sei. Für Schwangerenvorsorge würde gesorgt und alle Vorbereitungen für die Entbindung würden getroffen. Mary sah mich mit großen, ernsten Augen an und ich nickte und sagte, ich käme sie besuchen.
    So kam ich mit der Welt der Zuhälter und Prostituierten in Kontakt, mit der Welt der schmutzigen Bordelle, die als Nachtcafés getarnt die Cable Street säumten und die in der ganzen umliegenden Gegend von Stepney zu finden waren. Es ist eine Welt im Verborgenen. Das Gleiche geschieht in jeder Stadt auf der Welt und so ist es immer schon gewesen, aber die wenigsten Menschen wissen etwas über dieses Milieu – die meisten wollen auch gar nichts davon wissen.
    Es gibt zwei Arten Prostituierte: die von der edlen Sorte und den ganzen Rest. Die französischen Kurtisanen bildeten wahrscheinlich die Crème de la Crème und wir lesen heute beeindruckt von den Salons, die sie führten, ihren prunkvollen Vergnügungen und ihrem Einfluss auf Kunst und Politik.
    In London arbeiten heute die tüchtigen Mädchen des West Ends meist in sehr teuren Etablissements mit wenigen erlesenen Kunden und können enorme Summen verlangen. Sie sind in der Regel sehr intelligente Frauen, die alles gut überlegt und eingerichtet haben und Prostitution mit professionellem Anspruch betreiben. Eines dieser Mädchen hat einmal zu mir gesagt: »Du musst gleich ganz oben einsteigen. Das ist kein Job, bei dem man unten anfängt und sich nach oben arbeitet. Wenn man unten einsteigt, sinkt man nur noch tiefer.«
    Die überwiegende Mehrheit der Prostituierten fängt unten an und führt ein erbärmliches Leben. In früheren Zeiten war die Prostitution die einzige Möglichkeit für eine Not leidende Frau, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, besonders wenn sie Kinder ernähren musste. Welche Frau, die den Namen Mutter verdient, kann sich moralisch über die erheben, die den eigenen Körper verkaufen müssen, weil ihre Kinder vor Hunger oder Kälte zu sterben drohen? Ich nicht.
    Heute – wie auch in den 1950er-Jahren – kommt diese Form des Hungers in den westlichen Gesellschaften nicht mehr vor, aber es gibt eine andere Form, die das Geschäft mit der Prostitution nährt. Es ist der Hunger nach Liebe. Tausende laufen aus elenden Verhältnissen davon und finden sich allein und ohne Freunde in einer Großstadt wieder. Sie hungern nach Zuneigung und vertrauen sich jedem an, der ihnen Zuneigung entgegenzubringen scheint. Hier schlägt die Stunde der Zuhälter und Puffmütter. Sie bieten den Kindern zu essen und ein Dach über dem Kopf und geben sich freundlich, doch nach wenigen Tagen zwingen sie sie zur Prostitution. Der einzige Unterschied zwischen dem

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