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Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End

Titel: Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Worth
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Orte waren.«
    So verbrachte sie zwei weitere Tage. Sie war ganz allein, sprach mit niemandem und schlief nachts am Kanal. Am dritten Abend gab Mary ihre letzten Pennys für ein Wurstbrötchen aus.
    An ihrem vierten Tag in London hätte sie fast nichts zu essen bekommen, hätte sie nicht eine alte Dame auf einem Friedhof die Spatzen mit Brotkrümeln füttern sehen.
    »Ich wartete, bis die alte Dame fort war, scheuchte die Vögel weg und kroch dann umher, hielt meinen Rock hoch und sammelte die Brotstückchen ein. Die Sonne schien und es standen ein paar schöne Bäume da. Ein kleines Eichhörnchen habe ich auch gesehen. Ich saß im Gras und aß die ganzen Brotreste in meinem Schoß. Die schmeckten noch ganz gut. Am nächsten Tag ging ich wieder zum Friedhof, weil ich dachte, die alte Dame würde wieder die Vögel füttern kommen. Aber sie kam nicht. Ich wartete den ganzen Tag, aber sie kam einfach nicht.«
    Während sie sprach, wunderte ich mich, warum ein so aufgewecktes junges Mädchen mit so viel Initiative und Unternehmungslust, im fernen Dublin eine Fahrt hierher zu planen, nicht erfinderischer und vorausschauender sein konnte, als sie in London angekommen war. Sie hätte sich an viele Stellen wenden können – die Polizei, eine katholische Kirche, die Heilsarmee, die YWCA –, wo andere Menschen ihr geholfen, Unterkunft gegeben und wahrscheinlich sogar eine Arbeit besorgt hätten. Doch so etwas war ihr anscheinend nicht in den Sinn gekommen. Vielleicht hätte sie mit der Zeit noch den richtigen Einfall gehabt. Stattdessen traf sie Zakir.
    »Ich sah in das Schaufenster einer Bäckerei, roch das Brot und dachte, was ich nicht alles geben würde, um etwas davon essen zu können. Er kam, stellte sich neben mich und fragte: ›Willst du eine Zigarette?‹
    Er war der erste Mensch seit dem Fernfahrer, der mit mir sprach. Es war so nett zu hören, wie jemand etwas zu mir sagte, aber ich rauche nicht. Dann sagte er: ›Magst du denn etwas essen?‹, und ich sagte: ›Auf alle Fälle.‹
    Er schaute mich an und lächelte – so ein wunderbares Lächeln. Seine Zähne strahlten weiß und seine Augen blickten mich freundlich an. Er hatte schöne Augen, ganz dunkelbraun. Ich liebte sie vom ersten Moment an. Er sagte: ›Komm, wir kaufen ein paar dieser leckeren gefüllten Teigtaschen. Ich habe auch Hunger. Dann gehen wir zum Kanal und essen sie.‹
    Wir gingen in den Laden und er kaufte einen ganzen Haufen Teigtaschen mit unterschiedlicher Füllung, außerdem Obsttörtchen und Schokoladenkuchen. Ich kam mir sehr liederlich neben ihm vor, denn ich hatte mich seit Tagen nicht gewaschen oder die Kleider gewechselt, während er so fein und gut angezogen aussah und eine Goldkette trug.«
    Sie saßen am Treidelpfad im Gras gegen die Ufermauer gelehnt und sahen den vorbeifahrenden Lastkähnen zu. Mary erzählte, sie habe kaum ein Wort herausgebracht. Sie war überwältigt von diesem freundlichen, gut aussehenden jungen Mann, der sie offenbar mochte, und es fiel ihr nichts zu sagen ein, obwohl sie sich seit vier oder fünf Tagen danach gesehnt hatte, jemanden zum Reden zu finden.
    »Er sprach die ganze Zeit, lachte, warf den Spatzen und Tauben Brotstückchen hin und nannte sie ›meine Freunde‹. Ich dachte, dass jemand, der mit den Vögeln befreundet ist, sehr nett sein muss. Manchmal verstand ich nicht ganz, was er sagte, aber der englische Akzent unterscheidet sich ja von dem irischen. Er erzählte mir, dass er als Einkäufer für seinen Onkel arbeite, der ein nettes kleines Café an der Cable Street mit dem besten Essen in London betreibe. Es war so schön, mit ihm da am Treidelpfad in der Sonne zu sitzen und zu essen. Die Teigtaschen waren lecker, die Apfeltörtchen waren lecker und der Schokoladenkuchen war wie von einem anderen Stern.«
    Sie lehnte sich an die Steinmauer und seufzte zufrieden. Als sie wieder aufwachte, stand die Sonne bereits hinter dem angrenzenden Lagerhaus und seine Jacke bedeckte Mary. Sie stellte fest, dass sie sich an seine Schulter geschmiegt hatte.
    »Ich wachte in seinen starken Armen auf und seine schönen braunen Augen blickten mich an. Er streichelte mir die Wange und sagte: ›Du hast schön lange geschlafen. Komm, es ist schon spät. Ich bringe dich nach Hause. Deine Eltern machen sich bestimmt schon Sorgen, wo du bleibst.‹
    Ich wusste nicht sofort, was ich sagen sollte, und er schwieg auch. Nach einer Weile sagte er: ›Wir müssen jetzt gehen. Was soll deine Mutter denn von dir denken,

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