Callboys - Die Schönen der Nacht
„Abendessen wäre gut.“
Sam rollte seine Ärmel bis zu den Ellenbogen hoch. „Deine Miene sagt mir aber, dass Abendessen gar nicht gut wäre.“
„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf und stieg aus dem Bett, wobei mir sehr bewusst war, dass er, bereits angezogen und mit ausgespültem Mund, einen emotionalen Vorteil hatte, obwohl ich mir diesen Vorteil wahrscheinlich nur einbildete. Im Bad putzte ich mir hastig die Zähne und redete durch den Schaum in meinem Mund. „Doch, Abendessen ist gut!“
In der leicht abgeschrägten Türöffnung des Badezimmers sah Sam größer denn je aus. Sein wie Stacheln nach oben stehendes Haar berührte tatsächlich den oberen Balken des Türrahmens. „Was ist los?“
Was konnte ich schon sagen, was sich nicht angehört hätte, als wäre ich völlig verrückt? Dass ich, nachdem ich einmal mit ihm geschlafen und ihn dann wochenlang hingehalten hatte, schließlich doch beschlossen hatte, dass etwas mit Sam zu haben, etwas war, von dem ich nicht länger behaupten konnte, ich wollte es nicht haben? Dass, obwohl ich ihm für immer für das dankbar sein würde, was er in der vergangenen Nacht für mich getan hatte, nun der Morgen gekommen war und ich auch etwas für ihn tun wollte?
Was, mochte es so idiotisch klingen, wie es wollte, genau das war, was ich sagte.
„Und offenbar bist du nicht interessiert!“, schloss ich, ein wenig außer Atem, und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sam hatte mir mit einem leisen Lächeln auf den Lippen zugehört, doch nun lehnte er sich vor, um mir etwas ins Ohr zu sagen: „Ich bin interessiert.“
Ich war noch nicht völlig besänftigt. „Also …?“
„Nun. Auf diese Weise“, flüsterte Sam und ließ seine Zunge mit einem leisen Schnalzen über mein Ohrläppchen gleiten, was meine sämtlichen Nervenenden zum Vibrieren brachte, „wirst du an mich denken. Den ganzen Tag.“
Oh.
Was dann folgte, war möglicherweise der längste Tag, den ich jemals erlebt hatte. Da jede Minute mindestens eine Stunde zu dauern schien, schien es mir so zu sein. Ich sorgte dafür, dass ich beschäftigt war, indem ich unsere Website aktualisierte und neue Broschüren und Formulare bestellte, aber das war nicht sonderlich hilfreich.
„Möchtest du noch Kaffee?“, fragte ich Shelly, die an ihrem Schreibtisch eine Klatschzeitschrift las.
Sie hob den Kopf von den reißerischen Berichten über die Scheidungen von Prominenten. „Noch mehr Kaffee? Du bekommst bald eine Koffeinvergiftung, Grace.“
Ich hob meinen Becher. „Soll das Nein heißen?“
„Nein“, erwiderte Shelly lächelnd. „Ist alles in Ordnung mit dir?“
„Sicher. Es geht mir gut. Warum sollte es mir nicht gut gehen?“
„Na ja, das war jetzt das vierte Mal, dass du mich gefragt hast, ob ich noch Kaffee will.“ Sie sah mich an, als wollte sie noch mehr sagen, doch das Telefon klingelte, und sie nahm den Hörer ab, während ich angespannt lauschte.
War das ein neuer Todesfall? Würde ich meine Verabredung zum Dinner mit Sam absagen müssen? Der Kaffee schwappte über meine Finger und verbrannte sie, und ich nahm mir ein Papiertuch aus der Schachtel auf ihrem Schreibtisch, um meine Hand abzuwischen. Shelly machte mir keine Zeichen, und ich entspannte mich wieder.
Im Bestattungsgewerbe gibt es Tage, die vor Sonnenaufgang anfangen und nicht vor Einbruch der Dunkelheit enden, Tage mit neuen Todesfällen, Trauerfeiern und mehreren frischen Leichnamen, um die man sich kümmern muss. Es gibt aber auch Tage, an denen ich an meinem Schreibtisch sitze und meine Nägel feile, während ich am Computer eine Partie Solitär nach der anderen spiele. Der heutige Tag schien sich zu einem von der zweiten Sorte zu entwickeln.
Was mir viel zu viel Zeit ließ, über mein Date mit Sam nachzudenken.
Date.
Ich zuckte zusammen, als ich zu heftig feilte, sodass die Nagelhaut zu bluten anfing. Im selben Moment klopfte es an der Tür, und ich hob den Kopf. Es war mein Dad, der mit meinem Laptop in der Hand eintrat. Mein Magen machte einen Purzelbaum und fiel bis hinab in meine Kniekehlen, bevor er bis zu meiner Kehle hinaufschoss.
Ich stand auf. „Hallo, Dad.“
„Ich bringe dir deinen Computer zurück, nachdem ich gehört habe, dass du den im Büro wieder zum Laufen gebracht hast.“
Mein Dad reichte mir mein PowerBook, das ich sofort wie das Baby, das ich niemals vorhatte zu haben, in die Arme schloss. „Ja. Er läuft wieder. Hast du … in diesem irgendetwas gefunden, das du brauchtest?“
Mein Dad
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