Callboys - Die Schönen der Nacht
„Es ist sehr spät, Sam. Wir sind beide müde.“
Sam lachte nicht. Er zog mich an sich und küsste mich. „Ich mag dich wirklich sehr, Grace. Ich mag es, Zeit mir dir zu verbringen, mit dir auszugehen. Ich mag es, dich zu küssen. Ich mag es, dich anzufassen.“
„Auch ich mag all diese Dinge“, erklärte ich ihm, während ich schon zur Hälfte dahingeschmolzen war.
„Ich will nicht irgendein Kerl sein, mit dem du geschlafen hast. Ich will nicht einfach nur ein Spielzeug für dich sein.“
Oh, was für eine Ironie in seinen Worten steckte. „Natürlich nicht“, stimmte ich ihm zu.
Sam nickte, als hätte meine Antwort ihn zufriedengestellt. „Gut. Dann ist das geklärt.“
Nichts schien mir geklärt zu sein, abgesehen von der Tatsache, dass in mir ein riesiges Durcheinander herrschte und ich nicht einmal mehr geradeaus denken konnte. „Wirklich?“, wollte ich wissen.
„Wir. Die Sache hier.“ Er machte eine Handbewegung, die das ganze Schlafzimmer umfasste.
Ich starrte ihn an. „Wir? Wir sind ein Wir?“
Mit meiner Hand in seiner kniete Sam sich vor mir hin. “‚Cause you’re my lady!‘“, sang er. Sehr laut. Ebenso die nächste Zeile und die folgende auch, während ich lachte und versuchte, mich aus seiner Umarmung zu befreien.
„Nein! Schon gut! Schon gut, was auch immer du willst, aber hör auf, dieses Lied zu singen!“
Er richtete sich auf und auf und auf. Der große, riesige Sam. Wieder küsste er mich. „Gestehe. Du bist verrückt nach mir.“
„Ich glaube, ich bin einfach nur verrückt.“
Sam hob mich hoch, indem er einen Arm unter meine Knie schob und den anderen um meine Schultern schlang und lachte, als ich nach Luft schnappte. „Das war zu erwarten. Wir landen im Bett. Genau jetzt. Du und ich.“
Er schmiss mich aufs Bett und folgte mir mit einem beherzten Sprung. Sprang auf mein altes Bett, das ich gebraucht gekauft hatte. Prompt brach der Rahmen entzwei, und die Matratze krachte auf den Boden.
„Na also“, stellte Sam fest. „Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen, oder etwa nicht?“
Meine Antwort bestand lediglich aus einem Lachen.
Während meiner Collegezeit war es ab und zu passiert, dass ich viel zu wenig geschlafen hatte, bevor ich zur Arbeit ging, aber seit meinem Hochschulabschluss war ich nicht ein einziges Mal zur Arbeit erschienen, ohne auch nur eine Minute geschlafen zu haben. Nachdem Sam mein Bett zum Einsturz gebracht hatte, entschied er gemeinsam mit mir, dass es nicht schaden konnte, jetzt zu frühstücken. Während wir Eier und Toast aßen, unterhielten wir uns, bis es hell wurde. Unser Gespräch war durchaus ernst, doch es wurde immer wieder von Gelächter und Scherzen unterbrochen, während wir über uns sprachen. Über uns als Paar.
Sam fragte mich nicht, warum ich es all die Jahre vermieden hatte, einen festen Freund zu haben. Er wollte auch nichts über meine sexuelle Vergangenheit wissen, und ich vermied dieselben Fragen. Wir konzentrierten uns auf subtile Verhandlungen, die manche Leute wohl extrem unromantisch gefunden hätten, die ich jedoch mochte, weil wir während dieses Gesprächs beide die Karten auf den Tisch legten.
Nein, wir würden keine Dates mit anderen Leuten haben. Ja, er konnte bei mir übernachten, wenn er seine eigene Zahnbürste mitbrachte. Nein, wir mussten einander nicht jeden Tag sehen, aber es war auch nicht ausgeschlossen, wenn wir es beide wollten.
Sam schien zu verstehen, was mein Job für besondere Schwierigkeiten mit sich brachte, und warnte mich, dass seine Arbeit auch nicht wesentlich planbarer war. Die Stunden, die er tagsüber gab, wurden manchmal verlegt, und wenn er die Möglichkeit bekam, irgendwo aufzutreten, wollte er auch in der Lage sein, sie zu nutzen.
Als es schließlich so weit war, dass ich mich für die Arbeit zurechtmachen musste, war ich völlig übermüdet und funktionierte nur noch mit Hilfe von Koffein und einem eisernen Willen. Sam küsste mich lächelnd, bevor er ins Haus seiner Mutter fuhr, um sich dort auf seinen eigenen Tag vorzubereiten.
„Bis bald“, verabschiedete er sich von mir, und ich wusste ganz sicher, dass wir uns tatsächlich schon bald wiedersehen würden.
Unglücklicherweise war genau das der Zeitpunkt, zu dem das Chaos ausbrach.
Nicht, dass es nicht schon vorher chaotische Tage gegeben hätte. Ehrlich gesagt, weiß man nie, was der Tag bringt, wenn man im Bestattungsgewerbe arbeitet.
„Shelly? Hast du Shelly gesehen?“
Shelly war nicht da.
Shelly war nicht
Weitere Kostenlose Bücher