Callboys - Die Schönen der Nacht
anderes mehr denken konnte, als das Ganze mit einem anderen Mann zu wiederholen.
„Entschuldige, Dad.“
„Entschuldige?“ Wieder fuchtelte Dad mit dem Ordner. „Glaubst du, ich wüsste nichts Besseres anzufangen, als deine Einnahmen und Ausgaben abzugleichen?“
Auf diese Bemerkung hin gelang mir ein fast echtes Lächeln in Richtung meines Dads. „Was würdest du denn sonst tun?“
„Angeln gehen.“ Er sah mich über den Rand seiner Halbbrille an. „Das ist es, was ich gerne tun würde.“
„Seit wann angelst du denn?“ Ich beugte mich über den Schreibtisch, um meinen Aktenordner wieder zu mir herüberzuziehen, aber mein Dad legte ihn so hin, dass ich ihn nicht erreichen konnte.
„Seit ich mich zur Ruhe gesetzt habe und deine Mutter mir gesagt hat, ich solle mir besser eine Beschäftigung suchen, die außerhalb unseres Hauses stattfindet.“
Ich lehnte mich lachend auf meinem Stuhl zurück. „Uh-huh.“
Selbst drei Jahre nachdem ich die Firma übernommen hatte, fühlte es sich für mich immer noch falsch an, auf der anderen Seite dieses Schreibtischs zu sitzen, während er auf dem Besucherstuhl saß. Ich glaube, er mochte es ebenfalls nicht, falls die Art, wie er mit dem Aktenordner herumwedelte, irgendeine Bedeutung hatte. Ich brauchte meinen Dad nicht, um meine Geschäftsbücher zu überprüfen, ebenso wenig wie ich ihn brauchte, um mich zu fragen, ob ich genügend Benzin in meinem Tank hatte oder ob ich einen Handwerker kannte, der mein Waschbecken reparieren konnte. Es gefiel mir nicht, wenn meine Fähigkeiten ständig infrage gestellt wurden. Er konnte nicht loslassen. Die Situation war kurz davor, wirklich unangenehm zu werden.
Mein Dad grunzte und schob sich die Brille höher auf die Nase. Dann breitete er die Kontoauszüge aus und stieß mit dem Finger auf einen davon hinab. „Siehst du das hier? Wofür war das?“
Zwei Mausklicks öffneten mein Buchhaltungsprogramm, ein System, das mein Dad niemals benutzt hatte. „Büromaterial.“
„Ich weiß, dass es um Büromaterial geht. Die Rechnung stammt vom Schreibwarenhandel. Ich möchte wissen, warum du hundert Dollar dafür ausgegeben hast.“
„Dad.“ Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben. „Wir brauchten Druckerpatronen, Druckerpapier und solche Sachen. Sieh selber.“
Er warf nur einen flüchtigen Blick auf den Monitor, bevor er sich wieder in dem Papierhaufen vergrub. „Und warum bekommen wir eine Rechnung für Internet?“
„Bekommen wir doch gar nicht.“ Ich pflückte den Zettel aus seiner Hand. „Das ist meine.“
Mein Dad hätte mich niemals offen beschuldigt, zu versuchen, meine persönlichen Rechnungen unter die Rechnungen des Beerdigungsinstituts zu mogeln. Er hatte mir die Regel, dass die Ausgaben der Firma von den Ausgaben der Familie getrennt werden mussten, so häufig eingebläut, dass ich wirklich keinerlei Schwierigkeiten hatte, mich jederzeit daran zu erinnern. Angesichts der Tatsache, dass von mir erwartet werden würde, mein eigenes Gehalt zu kürzen, falls die finanzielle Lage der Firma es erforderte, hatte ich allerdings kein Problem damit, meinen Internetanschluss vom Firmenkonto zu bezahlen, ganz besonders, weil es lächerlich gewesen wäre, zwei getrennte Anschlüsse in einem Haus zu haben. Ich wohnte direkt über dem Büro und konnte den kabellosen Anschluss der Firma mitbenutzen.
„Ich werde mit Shelly sprechen und ihr klarmachen müssen, dass die Rechnungen nicht derart durcheinandergebracht werden dürfen.“ Mein Dad räusperte sich kurz. „Vielleicht werde ich es auch Bob gegenüber erwähnen, wenn ich das nächste Mal beim Postamt vorbeikomme. Er soll aufpassen, dass er die Umschläge in die richtigen Briefkästen wirft.“
„Dad. Es spielt keine Rolle.“
Er sah mich mit einem Blick an, der mich zum Zittern bringen sollte. „Natürlich spielt es eine Rolle, Grace. Das weißt du.“
Möglicherweise war das so gewesen, als er die Firma geführt und gleichzeitig eine Familie unterhalten hatte, nun aber ging es nur um mich allein, und ich sah die Sache anders. „Ich werde mit Shelly reden. Du würdest sie nur zum Weinen bringen.“
Nach zwei Jahren auf der Wirtschaftsschule hatte Shelly ihren ersten Job bei mir angetreten. Bevor ich sie als Büroleiterin eingestellt hatte, hatte sie noch nirgendwo anders gearbeitet. Sie war jung, aber sie arbeitete hart und konnte gut mit Menschen umgehen. Mein Dad schnaubte erneut, und als er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte, konnte ich sehen, dass er
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