Callboys - Die Schönen der Nacht
Leichenwagen zu waschen.“
„Genau. Mein Dad zwang Craig und mich jeden Samstag, das zu tun.“ Ich nahm mir keinen Schwamm und achtete darauf, weit genug entfernt zu stehen, um keine Wasserspritzer abzubekommen. Ich trug meine Bürokleidung und hatte in einer Stunde noch einen Termin.
Jared sah mich neugierig an. „Hast du Angst, dass ich Betty wehtue, oder was ist los?“
„Nein.“ Liebevoll betrachtete ich das Auto, das mich durch zwei Abschlussbälle, das College und andere aufregende Zeiten meiner Jugend begleitet hatte. „Sie ist ein großes Mädchen. Sie kann auf sich selber aufpassen.“
Jared schnaubte und tauchte seinen Schwamm in das schaumige Wasser, dann kniete er sich neben den Wagen und begann bei den Rädern mit der Wäsche. „Das ist in Ordnung, solange sie nicht zum Leben erwacht und anfängt, Menschen umzubringen. He, das wäre eine überraschende Wendung, nicht wahr? Das Auto macht sich auf und fährt Leute über den Haufen, um das Geschäft zu beleben.“
„Ha, ha.“ Ich schüttelte den Kopf. „Sage so etwas niemals zu meinem Dad.“
„Das werde ich nicht. Dein Dad ist so schon angsterregend genug.“ Jared rubbelte an dem Auto herum und sah mich dabei über die Schulter an. „Gibt es etwas, worüber du mit mir reden möchtest, Boss?“
Eigentlich nicht. Ich konnte ihm schwerlich sagen, dass mein Dad und ungefähr die halbe Stadt glaubten, wir würden miteinander schlafen. „Ich wollte dir nur sagen, dass du einen guten Job machst. Das ist alles.“
Jared hörte auf, die Reifen zu waschen, und richtete sich mit schaumbedeckten Händen auf. „Danke, Grace.“
Sein Lächeln war durchaus nett anzusehen, aber es ließ die Schmetterlinge in meinem Magen nicht fliegen, und allein die Tatsache, dass ich darüber nachdachte, ob es irgendetwas in mir auslöste, ging mir auf die Nerven. „Gern geschehen.“
Er schaute mich immer noch neugierig an. „Gibt es sonst noch was?“
„Nein. Mach weiter.“ Ich machte eine auffordernde Bewegung mit den Händen und ging wieder nach drinnen, wo Shelly damit beschäftigt war, die Broschüren zu falten und Anrufe entgegenzunehmen.
In meinem Büro setzte ich mich hinter den Schreibtisch und sah mich in meinem Reich um, ohne dabei die gleiche Zufriedenheit wie sonst zu spüren. Ganz egal, wie hart ich auch arbeitete, es würde immer Leute geben, zu denen auch mein Dad und meine Schwester gehörten, die an meinen Erfolg ihren eigenen Maßstab anlegten. Ich war nicht bereit, von ihrer Meinung darüber, wie mein Leben zu sein hatte, mein Empfinden beeinflussen zu lassen.
Unglücklicherweise tat ich es doch.
Jacks Beschreibung seines Äußeren war recht zutreffend gewesen. Er wartete genau dort auf mich, wo ich ihn hinbestellt hatte, und obwohl ich wusste, dass er Raucher war, roch ich es nicht. Gott, er war sehr jung. Er sah nicht älter als zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig aus, und das war schon großzügig geschätzt. Jung, doch gut aussehend, trotz des Metalls im Gesicht. Mehr als gut aussehend. Jack war absolut klasse.
Er hatte gesagt, seine Haare wären dunkel, doch das war unter der Baseballkappe, die er bis tief in seine Augen gezogen hatte, nicht zu erkennen. Ich hatte den Namen der Punkrock-Band noch nie gehört, der auf dem schwarzen T-Shirt stand, das er über einem weißen Sweatshirt der Henley Business School trug. Die Ärmel des Sweatshirts hatte er bis zu den Ellenbogen hochgeschoben, um mit einem verschlungenen Muster aus Tattoos anzugeben, das an seinem linken Handgelenk begann und die gesamte Haut seines Armes, soweit ich sie sehen konnte, bedeckte. Er trug tief auf seinen Hüften hängende, verwaschene Jeans, die durch einen schwarzen Ledergürtel gehalten wurden.
„Jack?“ Ich streckte ihm die Hand entgegen.
Er schüttelte sie ruhig, ohne sie zu fest zu drücken oder zu lange zu halten. „Ja.“
„Ich bin Miss Underfire. Aber du kannst mich Grace nennen.“
„Hübscher Name“, erklärte er freundlich.
Wäre mein Name Esther oder Hepzibah gewesen, hätte er das Gleiche gesagt. Als käme es auf den Namen an. Und wieder dachte ich an Sam.
„Danke. Ebenso wie Jack.“
Wieder lächelte er, und ich starrte ihn an, völlig verblüfft von der Verwandlung seines Gesichts. Solange er ernst dreinschaute, sah er klasse aus. Wenn er lächelte … buchstäblich blendend.
Entweder er wusste es nicht, oder er hatte sich schon vor langer Zeit daran gewöhnt, dass Frauen ihn mit offenen Mündern anglotzten, denn er schien
Weitere Kostenlose Bücher