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Callboys - Die Schönen der Nacht

Callboys - Die Schönen der Nacht

Titel: Callboys - Die Schönen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Hart
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Erinnerungen an die Person, der dieser Körper gehört hatte, würde verblassen und ebenfalls zu Staub werden. Ich hatte Hunderte von Beerdigungen miterlebt und nicht ein einziges Mal Engel gesehen, die eine Seele in den Himmel trugen, ebenso wenig wie Teufel, die sie in die Hölle zerrten.
    Du stirbst, sie legen dich in einer Kiste in die Erde oder verbrennen dich, um den Prozess zu beschleunigen, und das war’s dann. Erledigt. Fini. Danach kam nichts mehr.
    Kein „Glücklich-für-immer“ oder etwas in der Art.
    Ben gab mir die Schuld, dass unsere Beziehung in die Brüche ging, aber ich zeigte mit einem anklagenden Finger auf jenen Sommer, in dem ich zum ersten Mal Vollzeit für meinen Dad gearbeitet hatte. Ich gab den Frauen die Schuld, die, vollkommen erschüttert durch den Tod ihrer Partner, zu uns kamen. Frauen, die ihr eigenes Leben so mit dem ihres Mannes verwoben hatten, dass sie keine Ahnung mehr hatten, wo ihr Mann endete und sie selber begannen. Ich gab den Frauen die Schuld, die so von dem Verlust getroffen waren, dass sie nicht mehr mit ihrem Leben zurechtkamen, und den Kindern, die um ihre Eltern weinten.
    Am Anfang unserer Beziehung war ich so mit Ben beschäftigt gewesen, dass ich kaum an das Ende gedacht hatte. Tot war tot, danach kam nichts mehr. Ich würde nicht wissen, wenn ich tot war, warum sollte ich Angst davor haben? Jeder musste sterben. Jeder ging irgendwann.
    Ich hatte keine Angst zu gehen.
    Ich hatte Angst, zurückgelassen zu werden.
    Es war für mich keine Frage, dass die Dates mir halfen, die schwierigen Seiten meines Jobs zu ertragen. Ich konnte einen Polizisten, einen Feuerwehrmann oder einen Lehrer haben. Ich konnte eine unartige Krankenschwester oder eine Sekretärin spielen oder was auch immer mir sonst in den Sinn kam, allein meine Fantasie und mein Portemonnaie setzten mir Grenzen.
    Ich sagte Jack, er solle mich in dem Hotel treffen, das ich seit Monaten für meine Treffen benutzte, ein vor Kurzem renoviertes Motel an der Stadtgrenze von Harrisburg. Es hatte günstige Preise und saubere Laken und lag gute vierzig Minuten Fahrzeit von meinem Zuhause entfernt, was mir eine relativ große Sicherheit gab, dass ich nicht zufällig jemandem aus meiner Stadt über den Weg lief. Oder der Tante, dem Onkel oder dem Bruder von jemandem, den ich kannte. Oder jemandem, mit dem ich zur Highschool gegangen war und der für einen freien Tag nach Hause gekommen war. Oder jemandem, mit dessen Bruder oder Schwester ich zur Schule gegangen war.
    Ich machte mir nie Sorgen darüber, jemandem über den Weg zu laufen, dessen Angehörigen ich beerdigt hatte. Nicht weil die meisten Familien, für die ich gearbeitet hatte, aus der näheren Umgebung waren und in meinem Städtchen Umgebung einen Umkreis von nicht mehr als zehn Meilen bedeutete. Es war noch einfacher. Leute, die mich das erste Mal bei einem Gottesdienst sahen, nahmen mich nicht wahr. Sie sahen eine Bestatterin, wenn sie, gefangen in ihrer Trauer, überhaupt jemanden wahrnahmen. In der Situation, in der sie mich trafen, war ich austauschbar und auf meine Rolle beschränkt.
    Im vergangenen Jahr war ich fast ein Dutzend Mal in dem Motel gewesen, aber der Angestellte am Empfang erkannte mich ebenfalls nicht. Es war die Sorte von Hotel, wo das Personal dafür bezahlt wurde, zu erkennen, ob jemand anonym bleiben wollte.
    Ich mietete ein Zimmer und verließ das kleine Büro mit dem Schlüssel in der Hand. Trotz der Renovierungen war das Dukum Inn nicht zu Keycards übergegangen. Ich mochte das Gewicht des schweren schwarzen Plastikanhängers, auf dem mit verblasster weißer Farbe die Zimmernummer stand. Ich mochte es, wie der Schlüssel ins Schlüsselloch glitt und sich drehen ließ. Es war ein Gefühl, das eine Plastikkarte, die man in einen Schlitz schob, nicht bieten konnte.
    Jack, der in einer abgeschabten schwarzen Lederjacke zum Anbeißen aussah, kam in dem Moment, in dem ich die Tür öffnete. Innen hatte das Zimmer nichts Besonderes. Ich hätte nicht sagen können, ob ich schon einmal in genau diesem Raum gewesen war, obwohl man hätte meinen sollen, dass ich nach den Besuchen, die ich hier gemacht hatte, Wert darauf legte, mich zu erinnern.
    Während er aus seiner Jacke schlüpfte und sie auf einen Stuhl warf, schaute Jack sich im Zimmer um. „Sieht so aus, als hätten sie hier einiges verbessert.“
    Ich schloss die Tür und legte den Schlüssel auf die Kommode, bevor ich mich ihm zuwandte. „Warst du schon mal hier?“
    Er grinste

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